Aus Verwahren wurde Betreuen

Das Kindergartenmuseum in Bergisch Gladbach dokumentiert die Entwicklung der außerfamiliären Kinderbetreuung seit ihren Anfängen im 18. Jahrhundert

Hundert Beine tummeln sich ein wenig steif vor der Theaterkulisse. Es sind ein paar sehr alte hölzerne darunter, aber auch brandneue aus schickem roten Plastik oder gebogenem Metall. „Wir wollten zeigen, wie vielfältig die Stuhlmode damals war und heute noch ist“, sagt Konstanze Rehr, zweite Vorsitzende des Museumsvereins. Auch der Kindergartenstuhl, vor dem sie steht, ist auf seine alten Tage zum Ausstellungsstück geworden. Im Kindergartenmuseum in Bergisch Gladbach steht das zerkratzte Möbel zusammen mit 24 anderen Stühlen aus acht Jahrhunderten und wartet darauf, dass sich der Vorhang des Puppentheaters hebt.

Schon seit April diesen Jahres hat das erste Kindergartenmuseum Nordrhein-Westfalens geöffnet. Bisher zeigt es noch ein wenig unkoordiniert „Schätze des Archivs“, die schon seit zehn Jahren in Kellern des Museumsvereins lagern. Ab März nächsten Jahres soll eine Dauerausstellung eröffnen, die der Entwicklung der sozialpädagogischen Arbeit von Kindergärten und Tageseinrichtungen auf der Spur ist und das Leben großer Pädagogen vorstellt.

„Wir sind kein Spielzeugmuseum“, betont Rehr. Natürlich gibt es hinter Glasvitrinen viele Spielsachen zu sehen. Eine alte Schachtel mit „Der Mann muss hinaus“ zum Beispiel, ein Spiel, das heute „Mensch ärgere dich nicht“ heißt. Oder Puppenmöbel aus den 30er Jahren und einen Metallroller aus den 50ern. Alles ist aber nur da, um zu zeigen, wie die Kleinen früher im Kindergarten bei Laune gehalten wurden. Da gibt es ein spärlich möbliertes Puppenhaus aus dem „Plastikzeitalter“, Puppengeschirr von Anfang des 20. Jahrhunderts sowie eine vergilbte Ausgabe des „Struwwelpeters“. Große Tafeln an der Wand lassen den Besucher zurückreisen in eine Vergangenheit, in der Kinderbetreuung eine größere Rolle spielte, als man heute vielleicht glaubt.

„Die Geschichte der außerfamiliären Kinderbetreuung beginnt schon im achtzehnten Jahrhundert“, sagt Vereinsmitglied Evelyn Schmoll. Damals seien vor allem Landkinder betreut worden, während ihre Eltern auf dem Feld arbeiteten. „Meist war das dann die Sache der Kirche.“ Damals stand kein pädagogisches Konzept hinter der Betreuung. „Eine Wüstenei war das aber sicher auch nicht“, glaubt die Vereinsfrau.

Da Kinderbetreuung damals aber noch rar war, gingen viele Kleinkinder nach Auskunft Schmolls mit ihren größeren Geschwistern zur Schule. Selbstverständlich war, dass in der ersten deutschen Bewahranstalt, die um 1800 von Fürstin Pauline zu Lippe-Detmold gegründet wurde, niemand „über seinen Stand hinaus“ erzogen wurde. In der Zeit der Industrialisierung kamen dann laut Schmoll auch die ersten Betriebskindergärten auf.

Mit der Dauerausstellung, die auch die Geschichte der Erzieher-Ausbildung beleuchten und eine Präsenzbibliothek bieten soll, will der Verein vor allem dokumentieren, dass vermeintlich neue Erziehungsmethoden, Hoffnungen, aber auch Ängste alle paar Jahre wiederkehrten. Schon Friedrich Fröbel hatte „Spielgaben“ konzipiert, die heutigen Bauklötzen ähneln. Der Pädagoge hatte Mitte des 19. Jahrhunderts in Bad Blankenburg in Thüringen den ersten Kindergarten mit pädagogischen Konzept gegründet und auch den Begriff „Kindergarten“ erfunden. Zur selben Zeit warnten kritische Stimmen vor „der Gefahr der Entfremdung von der Familie“, die Kindergartenkinder bedrohe. „Auch die Panik nach der Pisa-Studie, dass unsere Kinder im Vergleich zu Kindern anderer Länder zu wenig lernten, gab es schon nach dem Sputnik-Schock“, weiß Vereinsvorsitzende Rehr. Ein Anliegen ist dem Museum auch, die heutige, stark lernorientierte Entwicklung in der Erziehung der Kleinkinder zu hinterfragen. Schmoll: „Wir sollten vom Kind ausgehen und nicht fragen, was die Wirtschaft oder der Staat braucht.“ Claudia Lehnen

Das Kindergartenmuseum im Zentrum von Bergisch Gladbach am Quirlsberg (im Jugendzentrum „Q 1“, neben der Gnadenkirche) hat jeden Dienstag von zehn bis 13 Uhr geöffnet. Ab März nächsten Jahres eröffnet eine Dauerausstellung, die auch die historische Entwicklung der Erzieher-Ausbildung dokumentiert. Unter der Telefonnummer 022 02/24 36 40 können auch andere Besuchstermine vereinbart werden.