„Man könnte die MOX-Fabrik militärisch nutzen“

Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt bezweifelt, dass eine militärische Nutzung qua Vertrag zu verhindern wäre

taz: Herr Sailer, ist die Hanauer MOX-Fabrik militärisch für China nutzbar?

Michael Sailer: Die MOX-Fabrik darf man sich nicht als eine Maschine vorstellen. Es handelt sich um eine Ansammlung von hintereinander geschalteten Aggregaten. Ähnliche Bearbeitungsschritte sind erforderlich, wenn man das Material für Atomwaffen bearbeitet. Das heißt: Man kann die Anlage so verändern, dass sie militärisch nutzbar ist. Außerdem kann sie für die Herstellung von Brennelementen für militärisch verwendbare Reaktoren benutzt werden.

Der Export wäre also ein Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag?

Das ist Interpretationssache. Ist der Export einer Anlage, die vielleicht militärisch genutzt wird, schon Weiterverbreitung von Atomwaffen? Im Vertragstext ist gewiss eher an „Bausätze für Atomwaffen“ gedacht worden.

Die Bundesregierung versucht nun offenbar, China vertraglich auf den Verzicht einer militärischen Nutzung festzulegen. Geht das?

Wenn in dem Vertrag steht, dass China garantiert, die Anlage nur zivil zu nutzen, dann bringt das wenig. In dem Vertrag muss sehr detailliert beschrieben und fixiert werden, was militärische Nutzung heißt. Denn es gibt in dieser Technologie eine enorme Grauzone zwischen Zivilem und Militärischem, gerade was Forschung angeht. Zweitens bräuchte man detaillierte Kontrollen – und das ist für China sicher schwierig. Drittens müsste man ausschließen, dass die Anlage erst zivil, in ein paar Jahren aber anders verwendet wird. Das heißt: Man muss die künftige Geschichte aller einzelnen Anlagenteile miteinbeziehen. Ich bin sehr skeptisch, ob ein Vertrag all dies wirklich garantieren kann.

Auch die Grünen meinen, dass man den MOX-Deal rechtlich nicht verhindern kann. Stimmt das?

Nein. Die Teile der Hanauer MOX-Fabrik können zivil oder militärisch genutzt werden – es sind typische Dual-Use-Gegenstände. Es gibt sowohl in Deutschland als auch international eine Reihe von Verträgen und Übereinkünften, die für den Export von Dual-Use-Gegenständen höchst restriktive Vorgaben machen. Diese sind noch nicht durchgeprüft. INTERVIEW: STEFAN REINECKE