frisches flimmern
: Filme aus dem Irgendwo

Drei Filme erzählen von vergangenen Zeiten. Die Natur spielt eine beachtliche Rolle.

Fremdes Europa

Zauberer, Kuhhirten und Dracula. In ihrem neuen Dokumentarfilm „Carpatia“ begeben sich die Filmemacher Andrzej Klamt und Ulrich Rydzewski („Pelym“) auf eine filmische Reise entlang der Gebirgskette der Karpaten. Die ursprüngliche Landschaft liegt geographisch in der Mitte Europas. In sorgsam verbundenen Episoden portraitieren die Filmemacher die Menschen, die in dieser Region zu Hause sind. Das Überleben der Huzulenfamilie Marusjak in den Bergen ist harte Arbeit. Trotzdem bleiben sie. Die Karpaten sind eine schwierige Heimat. Auch für Sinti, Roma, Goralen und Chassiden. In der Gegend der galizischen Karpaten, dem einstigen Zentrum des Chassidismus, einer mystischen jüdischen Erweckungslehre, sprechen nur noch drei Einwohner das alte Jiddisch. In bedächtigen Kamerafahrten sinnieren die beiden Filmemacher über die Schönheit der Landschaft. Aber es ist auch ein fremd erscheinendes Europa. Ihr sehr langsames dokumentarisches Werk „Carpatia“ erhielt den diesjährigen Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals CinemAmbiente in Turin.

Einsames Kanada

Kino vom Ende der Welt. Eine kleine kanadische Insel ist Schauplatz für Jean-François Pouliots Regiedebüt „Die große Verführung“. Die einstigen Fischer des beschaulichen Hafendorfes Sainte-Marie-La-Mauderne leben jetzt von der Sozialhilfe. Schuld ist die allgemeine Überfischung der angrenzenden Meere. Doch es gibt Hoffnung. Ein Unternehmen will eine Konservenfabrik errichten. Aber nur, wenn endlich ein Arzt auf der Insel wohnt. Ein Mediziner vom Festland muss her. Egal wie. Der junge Schönheitschirurg und begeisterte Cricketfan Christopher Lewis (David Boutin) wird auf die Insel gelotst. Plötzlich gibt es genügend Patienten. Die Insulaner beginnen sogar mit einem fanatischen Crickettraining, auch wenn sie das Spiel eigentlich nicht verstehen. Zwei Welten prallen aufeinander. Die Kneipe ist immer voll, sogar die Einwohnerzahl hat zugenommen. „Dieser Film, der mitten im Nirgendwo spielt und von Verlassensein, Schande und Würde handelt, ist auch ein bisschen naiv: Er beruht auf dem Glauben, dass Komödien nicht unbedingt weniger wert sind als andere Filme“, sagt Regisseur Pouliots. Eine typisch-vergnügliche Komödie mit viel Situationskomik und verrückten Figuren vor einer grandiosen Landschaft.

Wildes Norwegen

Norwegen im 19. Jahrhundert. Durch einen tragischen Unfall verursacht die kleine Dina (Amanda Jean Kvakland) den Tod ihrer geliebten Mutter. Fortan meidet sie der Vater (Bjørn Floberg) und verstößt sie. Dina zieht sich in ihre eigene Welt der Dämonen und Geister zurück. Sogar die Mutter lebt in ihrer Einbildung weiter. Erst ein Privatlehrer (Søren Saetter-Lassen) findet mit seiner Cello-Musik wieder Zugang zu Dina. Im Laufe der Jahre entwickelt sie sich zu einer willensstarken Frau (Maria Bonnevie). Die wilde Natur übt weiterhin eine besondere Anziehung auf sie aus. Andere Menschen lassen sie dagegen kalt. Ihren Mann Jacob (Gérard Depardieu) führt sie in den Untergang. Erst der geheimnisvolle Russe Leo Zukowskij (Christopher Eccleston) entfacht neue Emotionen in der seelenkalten Dina. Auch in seinem neuen Film „Dina – meine Geschichte“ arbeitet der dänische Regisseur Ole Bornedal („Nachtwache“) mit Elementen des Grusel- und Horrorfilms. Das Drehbuch zu seinem Portrait einer sich selbst suchenden Frau basiert auf der Romanvorlage „Das Buch Dina“ der norwegischen Autorin Herbjørg Wassmo.

STEFAN ORTMANN