Frankreich macht vor, wie passive Sterbehilfe geregelt sein sollte
: Feige deutsche Politik

Das neue französische Gesetz zur Sterbehilfe ist vernünftig. Es wahrt die Selbstbestimmung von Kranken und ermöglicht wirksame Schmerztherapie. Das Gesetz stellt Ärzte straffrei, wenn sie passive Sterbehilfe leisten, das heißt, auf Wunsch des Todkranken die Behandlung abbrechen. Auch eine vor Verlust des Bewusstseins abgegebene Patientenverfügung soll genügen. Nicht bestraft wird außerdem die Gabe von wirksamen Schmerzmedikamenten, auch wenn diese indirekte Sterbehilfe den Eintritt des Todes beschleunigt. Verboten bleibt dagegen die aktive Sterbehilfe, also die Gabe einer Todespille oder Todesspritze durch Ärzte oder Angehörige.

Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtslage in Deutschland. Nur dass die französischen Regeln jetzt auch im Gesetzbuch stehen, während in Deutschland die Grenzziehung bisher dem Bundesgerichtshof (BGH) überlassen blieb. Allerdings ist die gesetzliche Klarstellung in einer so wichtigen Frage vorzuziehen, weil sie für Ärzte und Patienten Transparenz schafft. Viele Patienten bekommen nicht die nötigen Schmerzmittel, weil die Ärzte unnötig Angst vor dem Staatsanwalt haben.

Doch die Politik, namentlich Justizministerin Brigitte Zypries’, ist zu feige, die ausgewogene BGH-Rechtsprechung explizit ins Strafgesetzbuch zu übernehmen. Sie geht damit Konflikten mit Kirchen, CDU-Hardlinern und der Deutschen Hospizstiftung aus dem Weg. Denn dort sieht man schon eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage als „ersten Schritt zur aktiven Sterbehilfe“. Im katholischen Frankreich ist das Sterbehilfe-Gesetz dagegen fast einstimmig beschlossen worden.

Zypries konzentriert ihren Mut derzeit auf die Regelung von Patientenverfügungen. Ärzte und Angehörige sollen künftig gesetzlich verpflichtet werden, solche vorsorglichen Willenserklärungen zu beachten. Auch hier gibt es schon Proteste. Zypries wird das gute Gesetz wohl nur durchbekommen, wenn sie jetzt keinen neuen Konfliktherd eröffnet. So ist ihre taktische Mutlosigkeit bei der passiven und indirekten Sterbehilfe dann doch gerechtfertigt. Christian Rath