Versuchter Anschlag in Belgrad

Unbekannte versuchen, den Wagen von Serbiens Präsident Tadić zu rammen. Das erinnert an die Ermordung des ehemaligen Premiers Djindjić. Hintergrund ist der Umgang mit Kriegsverbrechern

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Auf den serbischen Präsidenten Boris Tadić ist am Dienstag gegen neun Uhr abends ein Attentat verübt worden. Das verkündete das Büro des Präsidenten in Belgrad. Ein schwarzer Audi habe die Wagenkolonne, in der sich Tadić befand, verfolgt und im Belgrader Residenzviertel Dedinje den Wagen des Präsidenten „mehrmals zu rammen“ versucht. Dank der schnellen Reaktion der Leibwache von Tadić sei der Präsident unverletzt geblieben, hieß es in der Erklärung. Als es den Attentätern nicht gelang, das Auto des Präsidenten aufzuhalten, seien sie davongerast. Eine umfangreiche Fahndungsaktion der Polizei blieb erfolglos.

„Ich habe immer noch keinen Bericht des Innenministeriums erhalten“, erklärte Tadić gestern verärgert. Die Lage sei „ernst“, denn es handle sich um einen Angriff auf staatliche Institutionen, man sollte sie jedoch nicht „dramatisieren“. Tadić hat bisher mehrmals die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium kritisiert. Seine Leibwächter gehören zur militärischen Sondereinheit „Kobra“, und nicht, wie üblich, zur Polizei. Vor zwei Monaten hatte der Präsident den Geheimdienst BIA um eine Einschätzung seiner Sicherheit gebeten, diese jedoch, wie er selbst sagt, immer noch nicht erhalten.

Vergangene Woche erhielt die serbisch-montenegrinische Botschaft in Wien von einer „Serbischen patriotischen Organisation“ einen Brief, in dem Tadić und Außenminister Vuk Drašković mit dem Tod gedroht wird, weil sie sich für die Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher an das UNO-Tribunal in Den Haag einsetzen. Damit würden sie die „serbischen nationalen Interessen“ verraten.

Mehrere Drohbriefe mit ähnlichem Inhalt erhielt auch Svetozar Marović, Präsident der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro. Die drei Politiker forderten nachdrücklich von der serbischen Regierung, endlich mutmaßliche Kriegsverbrecher zu verhaften, und warfen Regierungschef Vojislav Koštunica vor, Serbien in die internationale Isolation zu treiben.

Dies erinnere an die Kampagne gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Zoran Djindjić vor dessen Ermordung im März 2003, heißt ist in der „Demokratischen Partei“ (DS). In das Attentat seien damals Teile der Polizei und des Geheimdienstes verwickelt gewesen. Die Auftraggeber des Mordes sind bis heute nicht bekannt. Die DS erinnerte daran, dass auch gegen Djindjić zunächst mehrere Attentate fehlgeschlagen waren.

In den vergangenen Wochen kam es mehrmals zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Serbiens Präsidenten und dem Premier. Tadić bezeichnete die Regierung als „unfähig“, die wichtigsten Probleme im Lande zu lösen, und forderte Neuwahlen im Frühjahr. Tadić warf Koštunica vor allem vor, hinsichtlich der Kosovofrage und der Auslieferung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern nicht mit dem Westen zusammenarbeiten zu wollen. Die „Demokratische Partei Serbiens“ (DSS) von Koštunica bezeichnete Tadić als einen „Poseur“, der eine „konfuse“ Politik betreibe und sich in Angelegenheiten einmische, die ihn nichts angingen.

Die serbische Minderheitsregierung wird von Milošević-Sozialisten im Parlament unterstützt. Solange sich diese Regierung an der Macht halten kann, werden mutmaßliche Kriegsverbrecher anscheinend ruhig schlafen können.