Die Avantgarde gastiert in einer Schachtel

Das Museum für Angewandte Kunst präsentiert seine Schätze unter Wert und verblüfft mit Versteckspielen

Noch bis Sonntag läuft im Kölner Museum für Angewandte Kunst die Ausstellung „IN – femme fashion.“ Gezeigt werden Frauenkleider von 1780 bis 2004. Die Idee, Exponate in chronologischer Reihenfolge zu präsentieren, ist bestechend und einfältig zugleich. Ein Dilemma, an dessen Lösung diese Modenschau scheitert: Ganz oben, im langweiligsten aller Räume, wird die ältere Mode, und ganz unten, in einer extra gezimmerten Schachtel, die Advantgarde der letzten Jahrzehnte präsentiert. Damit ist die Halle ohne Witz zugestellt, selten hat Ausstellungsarchitektur so gegen den Bau von Rudolf Schwarz gearbeitet.

Der Besucher geht die Geschichte ab. Ein Kleid vor 1800 – es überwiegen Gesellschaftskleider des Historismus mit aberwitzig ausladenden Hinterteilen. Ein „Reformkleid“ von 1898 lässt Jugendstilstrenge ahnen und endlich Frecheres aus den Zwanziger- und Fünfzigerjahren. Dann ein „Etuikleid“ von Ungaro und ein Cocktailkleid mit Metallplättchen 1966. Das alles ist nett, aber wenig überraschend, denn die Mode aller Stile ist durch Filme ständig präsent. So offenbart nur der Blick auf Detail und Material Unbekanntes.

Im „Pavillion“ wird es aufregender. Spaciges neben Postmodernem. Von Dior das voluminöse „Outfit Nr. 23-2003: besticktes Seidentaftkleid mit Saum aus Organzavolants und mehrlagigem Chiffonbolero“. Die verantwortliche Gastkuratorin Eva Gronbach stellt Ironisches aus. Zum Faltenrock mit bedruckter Schärpe „Vater Land – Mutter Erde“ empfiehlt sie einen Pullover in Schwarz-Rot-Gold. Das wird der Fan zur Fußballweltmeisterschaft gerne tragen.

Irritieren soll die „Tschador Sequenz 1-4“ von Hussein Chalayan (1998). Der erst total verhüllten Puppe rutscht das Kleid hoch über die Hüften: ein Angriff auf religiöse Prüderie oder westliche Schamosigkeit?

Erotik ist subtiler. Ein Chemisenkleid von 1810 aus Baumwollmusselin mit Stickereien fällt in altweißer Eleganz von hoher Taille. „Die Modellierung des Weiblichen in der Mode“, so der bemühte Untertitel, hatte im antikisierenden Klassizismus eine seltene und würdige Freiheit erreicht. Man hat diesen Stil der kartesischen Strenge „Revolutionsarchitektur“ genannt. Durch die Aufklärung wurden alle Künste inspiriert, aber aufklären und Zusammenhänge herstellen gelingt dieser Austellung nicht.

Das ist weniger, als Köln von der Ex-Direktorin Susanne Anna gewohnt war. Diese erste Ausstellung nach ihrer Ägide macht sie nicht vergessen.

CORD MACHENS

„IN – femme fashion“: Museum für Angewandte Kunst, bis zum 14.12., täglich außer montags 11-17 Uhr