Experten: Umweltschutz ist kein Luxus

Wissenschaftlicher Beirat der Regierung fordert engere Verbindung von Umweltschutz und Armutsbekämpfung. Reform der UNO, mehr Entwicklungshilfe und weniger Subventionen nötig. „Arme sind von Umweltschäden am meisten betroffen“

AUS BERLIN BERNHARD PÖTTER

Nur mit einer deutlich verbesserten globalen Umweltpolitik ist die weltweite Armut effektiv zu bekämpfen. Das hat der „wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) gestern bei der Vorlage seines Hauptgutachtens „Armutsbekämpfung durch Umweltpolitik“ festgestellt. Für eine bessere Verzahnung von Umwelt- und Armutspolitik müsste nach Ansicht des WBGU bei der UNO ein „Rat für Globale Entwicklung und Umwelt“ geschaffen, weltweit müssten umweltschädigende Subventionen und Handelsbarrieren abgebaut werden. Unternehmen und Staaten sollten für Umweltschäden haftbar gemacht werden, fordern die Experten.

Die neun Wissenschaftler verabschieden sich mit dem Gutachten von ihrer vierjährigen Tätigkeit als Berater der Regierung. Gleichzeitig wurde der neue Beirat berufen (siehe Kasten). Als Abschiedsgeschenk präsentierten die Experten ihren Bericht gestern den Ministern für Umwelt, Forschung und Entwicklungszusammenarbeit – Trittin, Bulmahn und Wieczorek-Zeul.

Der WBGU mahnt auch eine Reform der UNO an: Der Wirtschafts- und Sozialrat Ecosoc solle abgeschafft und durch einen „Rat für Globale Entwicklung und Umwelt“ ersetzt werden. Dieser soll die Politik zu Umwelt und Entwicklung koordinieren und die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds auf die nachhaltige Entwicklung verpflichten. Internationale Verträge sollten den Erhalt der Regenwälder und großer Feuchtgebiete sichern, sauberes Trinkwasser als Menschenrecht anerkannt und Versalzung von Böden frühzeitig bekämpft werden.

Alle diese ökologischen Maßnahmen seien auch Instrumente im Kampf gegen die Armut, sagte der scheidende WBGU-Vorsitzende Hartmut Graßl vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. „Anders zu handeln bringt enorme Kosten mit sich.“ Mehr Umweltschutz, die Öffnung der Märkte und der Abbau der Agrarsubventionen im Norden bringe mehr Gesundheit, Wohlstand und Sicherheit. „Bereits heute gibt es mehr Menschen, die wegen Umweltproblemen ihre Heimat verlassen als aus politischen Gründen.“

Eine stärkere Betonung von Umweltschutz und Armutsbekämpfung sei finanzierbar, schreibt der WBGU. Dafür brauche es eine zusätzliche Eurosumme „im niedrigen dreistelligen Milliardenbereich“, für Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität seien jährlich noch einmal „weniger als 400 Milliarden Dollar“ anzusetzen. Allein die weltweiten Agrarsubventionen dagegen machten bereits 350 Milliarden aus. Insgesamt beziffert der WBGU alle umweltschädlichen Subventionen auf 850 Milliarden Dollar. Doch es geht dem WBGU nicht nur um Geld – auch eine bessere Koordinierung in der EU und in der Regierung sei nötig, monieren die Experten: „Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass Handels-, Wirtschafts-, Sicherheits- und Außenpolitik die Ziele der Entwicklungs- und Umweltpolitik nicht konterkarieren.“

www.wbgu.de