Verbal aufgeschlossen

Männer möchten öfter putzen, leider fehlt ihnen dazu die Zeit. Freizeit haben sie aber genug – zumindest mehr als ihre Frauen. Ein Wandel ist in Sicht – wenn auch in der Ferne

Leider ist der männliche Unwille, wirklich zu Hause die Hälfte zu übernehmen, keineGenerationenfrage

1985 forderte die Weltfrauenkonferenz in Nairobi die Staaten auf, unentgeltliche Arbeit, die vor allem Frauen täglich in Haus- und Landwirtschaft leisten, volkswirtschaftlich sichtbar zu machen. Die Bundesrepublik kam dieser Aufforderung erstmals 1994 mit einer so genannten „Zeitbudget-Studie“ nach. Soeben ist eine Neuauflage dieser Untersuchung erschienen.

Männer machen viel Getue um ihre Berufsarbeit, kümmern sich kaum um die Kinder und lassen zu Hause die Frau das Badezimmer putzen – ein Vorurteil, herübergerettet aus längst vergangenen patriarchalen Zeiten? Oder sind Männer nicht vielmehr auf dem Weg zur Partnerschaft, packen im Haushalt kräftig an und schultern ihren Anteil an der Erziehungsarbeit. Sie würden ja so gerne, sagen viele Männer und Väter. Nur leider lasse der zeitraubende Beruf das nicht zu. „Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ hat der Soziologe Ulrich Beck das genannt.

Inzwischen sind einige Männer aus der Verhaltensstarre erwacht und greifen hier und da zum Wischlappen. Lieber noch zum Schreibzeug. Allerhand „Neue Väter“ und „Männer im Aufbruch“ schreiten zur Ehrenrettung ihres Geschlechts: „Sicher haben Sie zu dieser Jahreszeit die Männer gesehen, die in zugigen Garagen oder draußen Reifen wechseln und widerspruchslos Laub wegfegen“, wurde ich kürzlich aufgeklärt. „Wenn man die Rentnerinnen außen vor lässt, dann arbeiten die Männer mehr als die Frauen“, resümiert taz-Autor Matthias Urbach die „Zeitbudget-Studie“, für die das Statistische Bundesamt im Auftrag des Bundesfamilienministeriums die tägliche Zeitverwendung von insgesamt 12.600 Personen ausgewertet hat.

Oberflächlich betrachtet, stützt die neue Zeitbudget-Studie diese Sicht: Mehr Zeit für den Haushalt (!) und weniger Zeit für den Beruf wünschen sich 35 Prozent der Väter und immerhin noch 23 Prozent der kinderlos mit Frauen zusammenlebenden Männer. Wird auch Zeit, denn die Gratisarbeit in Haushalt und Familie war mit 96 Milliarden Jahresarbeitsstunden 2001 fast doppelt so umfangreich wie die Erwerbsarbeit mit 56 Milliarden Jahresarbeitsstunden (wovon Frauen auch noch ein reichliches Drittel leisten). Anscheinend sind die Millionen für Kampagnen des Familienministeriums zugunsten partnerschaftlicher Arbeitsteilung und „Mehr Spielraum für Väter“ doch nicht in den Sand gesetzt. Zwar stagniert der Anteil der Väter an den „ErziehungsurlauberInnen“ bei zwei Prozent. Aber laut Statistischem Bundesamt widmen sich Väter, die in Paarhaushalten leben, durchschnittlich eine Stunde und neun Minuten täglich ihren Kindern. Eigentlich schon ganz schön und vielleicht auch ausreichend, wenn wir in diesem Lande über eine funktionierende außerhäusliche Kinderbetreuung verfügten. Da das nicht der Fall ist, sind Mütter nach wie vor zuständig und verwenden für die Kinderbetreuung durchschnittlich mehr als doppelt so viel Zeit wie ihre Partner. Deren Aufwand sich übrigens gegenüber der Vorgängerstudie von 1994 nur unwesentlich verändert hat und damals wie heute zu großen Teilen aus „Spiel und Sport“ besteht. Dank Krippenabbau und Arbeitslosigkeit von Müttern haben die Betreuungszeiten in ostdeutschen Familien gegenüber 1994 deutlich zugenommen: Wenigstens die Muttis in den neuen Bundesländern genießen Weststandard!

Und wie sieht es mit der sonstigen Arbeit im Hause aus? „In den Paarhaushalten sind Männer nach wie vor für Reparaturen und handwerkliche Aktivitäten zuständig“, heißt es in der Studie. Deutsche Wohnungen sind bekanntlich Schrotthalden, in denen es ständig etwas aus- oder umzubauen gibt. Die Übergänge zum Posten „Freizeitgestaltung und Hobbys“ sind hier fließend. Wie übrigens auch bei der Zeit, die Männer mit ehrenamtlicher Tätigkeit verbringen: Ist das Übungsleiteramt im Sportverein, der Vorsitz in der Trachtengruppe oder das Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr eher Ehre, Arbeit oder Freizeit? Wahrscheinlich von allem etwas. An Freizeit pur haben Männer täglich mehr zur Verfügung als Frauen.

Nach wie vor scheuen Männer den Umgang mit feuchten Textilien. In Paarhaushalten wenden sie, wie 1994 auch, für die Wäschepflege täglich zwei Minuten auf (Frauen eine halbe Stunde).

Leider ist der männliche Unwille, wirklich zu Hause die Hälfte zu übernehmen, keine Generationenfrage. Bei erwerbstätigen Paaren ohne Kinder wuselt die Frau im Schnitt täglich fünfzig Minuten länger in Küche und Wohnzimmer. Hat das Paar Kinder, dominiert das altbekannte Muster: Vati ernährt die Familie, indem er sich dort möglichst wenig blicken lässt. An Wochentagen ist er selten vor 18 Uhr zu Hause.

Bekanntlich stellen sich bei Männern, wenn sie Väter werden, die Hormone auf „Nestflucht“ um: Sie verbringen noch mehr Zeit im Büro als vor der Geburt des Kindes. Frauen haben abends zu Hause freie Bahn, richten das Heim wohnlich her und stecken die Kinder ins Bett, damit er seinen Feierabend in Ruhe genießen kann. Auch in Familien, wo beide Eltern die gleiche Stundenzahl beruflich unterwegs sind, arbeiten die Frauen täglich eine Viertelstunde länger im Haushalt. Und damit das auch so bleibt, machen bereits Mädchen zwischen 10 und 14 täglich eine Viertelstunde mehr Hausarbeit als gleichaltrige Jungen.

Deutsche Wohnungen sind bekanntlich Schrotthalden, in denen es ständig etwas aus- oder umzubauen gibt

Kinder haben ein feines Gespür auch für unterschwellige Signale. Da können Mütter sich noch so abmühen, den Herrn Sohn in die Geheimnisse von Waschautomat oder Klobürste einzuweihen – solange der Vater als hausarbeitendes Vorbild nicht in Erscheinung tritt, signalisiert Waschen, Bügeln, Spülen den Jungen: „Frauenarbeit ist nicht so wichtig wie Berufsarbeit.“ Und den Mädchen: „Frauenarbeit ist ganz wichtig, damit Männer sich wohlfühlen.“ Nach der Pubertät wirken die kindlichen Lernprogramme doppelt: Junge Frauen zwischen 15 und 20 Jahren sind mit Waschen, Putzen, Kochen täglich eine halbe Stunde länger beschäftigt als junge Männer. Spätestens jetzt ist die Arbeitsteilung nach Geschlecht zum „doing gender“ geworden, gehört zum Verhaltensrepertoire, mit dem wir ständig unsere Geschlechtsidentitäten herstellen. Diese Weiblichkeit ist anstrengend, denn alles in allem arbeiten Frauen in Haushalt, Familie, Beruf und Ehrenamt eine Stunde pro Woche mehr als die Männer.

Aber vielleicht kommt die übernächste Zeitbudget-Studie zu ganz anderen Ergebnissen. Denn im Vergleich zu 1994 gibt es eine positive Veränderung: Arbeiteten Frauen Anfang der Neunzigerjahre 1,7-mal so viel wie Männer im Haushalt, sind es jetzt nur noch anderthalbmal so viel. Aber nicht, weil Männer einen größeren Teil der Last schultern, sondern weil Frauen insgesamt weniger Fenster putzen und Hemden bügeln. Weiter so. Dann haben wir die partnerschaftliche Teilung der Hausarbeit in 25 Jahren erreicht. Irgendwo auf dem Weg dahin werden Männer einsehen, dass zwei Minuten Wäschepflege am Tag nicht ausreichen. CLAUDIA PINL