Wie es uns gefällt?

Placebo kommt aus dem Lateinischen und heißt „Ich werde gefallen“. Im Mittelalter nannte man eine Person Placebo, die gegen Bezahlung Trauergesänge zum Trost für die Familie eines Verstorbenen anstimmte. Im Spätmittelalter gewann das Wort die Bedeutung „Heuchler, schmeichelnder Höfling“. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff erstmals im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen benutzt. Heute versteht man darunter eine Scheinbehandlung, ein Scheinmedikament oder ein Falsum, im Gegensatz zum Verum, der echten Arznei.

Der Placebotest ist unverzichtbarer Bestandteil einer Doppelblindstudie, die streng objektiv die Wirksamkeit einer Substanz beweisen soll. Es werden zufallsverteilt, oder randomisiert, zwei Patientengruppen gebildet: die eine Gruppe erhält das Präparat, das geprüft werden soll, die andere Gruppe ein Placebopräparat. Weder die Patienten noch die sie behandelnden Ärzte dürfen wissen, wer die echte und wer die falsche Arznei erhält. Damit ist der Placeboeffekt in beiden Gruppen gleich, und unterschiedliche Ergebnisse können auf das echte Medikament zurückgeführt werden. Noch klarere Ergebnisse soll die überkreuzte Doppelblindstudie bringen, bei der man Arznei und Placebo gegeneinander austauscht.

Placebokontrollierte Studien sind sehr teuer, die Kosten liegen bei etwa 5.000 bis 10.000 Euro pro Patient. Wegen der hohen Kosten kann klinische Forschung zunehmend nur unter den Fittichen der pharmazeutischen Industrie betrieben werden. Die Industrie ist natürlich in erster Linie interessiert an patentierbaren und Gewinn versprechenden Therapien. Bei Erkrankungen, die große Teile der Bevölkerung betreffen, lohnt sich daher der große Aufwand. Auf der Strecke bleiben dagegen Therapien ohne Aussicht auf Vermarktung, wie die Behandlung von tropischen, chronischen und seltenen Erkrankungen genauso wie Naturheilverfahren und Psychotherapien.

Als eine Folge dieser Entwicklung werden neu entwickelte Medikamente immer seltener. Die jährliche Rate sank in den vergangenen fünfzig Jahren um fast zwei Drittel. Neue Medikamente erweisen sich aber nicht immer als besser, jedoch oft als viel teurer als die alten Präparate.

In der britischen Medizinzeitschrift Lancet erschien vor kurzem ein Aufsatz, der einen weiteren Grund nennt, warum die pharmakologische Forschung seit dreißig Jahren stagniert: Die großen medizinischen Entdeckungen im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts seien von einzelnen genialen, vom Heilungswillen getriebenen Forschern und Ärzten gemacht worden – mit mangelhafter Statistik, ungenügender wissenschaftlicher Qualität und geringen Patientenzahlen. Sie wurden allenfalls von kleinen Teams unterstützt. Die klinische Forschung sei aber mittlerweile, so die These, derart bürokratisiert worden, dass Einzelforscher keine Chance mehr hätten. ANGELIKA FRIEDL