Die Bonner Republik als Zitat

Zwischen braunen Ledersesseln und beigen Stehlampen: Schon 23 Mal sendete der WDR den „Kanzlerbungalow“ live aus dem ehemaligen Bonner Wohnsitz des Bundeskanzlers. Wegen schlechter Einschaltquoten steht die Politshow nun vor dem Aus

VON CHRISTOPH SCHEUERMANN

Irgendwie passt das Wetter zum Gebäude. Es nieselt feine Tröpfchen auf die gedrungenen Würfel des Kanzlerbungalows, und gerade das macht alles noch viel wirklicher. Man wäre kaum verdutzt, wenn einer der früheren Bewohner, vielleicht Ludwig Ehrhard, Kurt Georg Kiesinger oder Helmut Kohl, die schwere Glastür aufschieben, heraustreten und ins Warme bitten würde.

Natürlich passiert das nicht. Stattdessen rücken vier Techniker polternd einen Tischkicker in die Eingangshalle des Kanzlerbungalows. Kurz vor der Live-Sendung herrscht Hektik im Kanzlerbungalow. Fernsehleute huschen durch die schmalen Flure, Kabel müssen noch gezogen, Kameras in Position gebracht werden. Später wird Wolfgang Bosbach, stellvertretender CDU-Fraktionschef, im ehemaligen Kanzlerwohnzimmer über den Kündigungsschutz reden, über die Freilassung eines mutmaßlichen Hamburger Terroristen und die Regelungsdichte auf dem Arbeitsmarkt.

Steffen Hallaschka ist der Moderator der Politshow „Kanzlerbungalow“, die wöchentlich live aus dem ehemaligen Wohnsitz des Bundeskanzlers im WDR-Fernsehen sendet. Als er das Gebäude zum ersten Mal von innen gesehen habe, sei er zwischen Belustigung und Ehrfurcht geschwankt, erzählt Hallaschka. „Ich hatte das Gefühl, da springt jeden Moment Helmut Kohl aus der Schrankwand.“

Im „Kanzlerbungalow“ – die Sendung zielt vor allem auf ein junges, politisch interessiertes Publikum – ist die Bonner Republik längst zum Zitat geworden, ein weiteres vergangenes Symbol im Referenzuniversum der Popkultur. Man wird den Gedanken nicht los, das alles schon aus einer dieser notorischen Szenekneipen zu kennen: die braunen Ledersessel, die beigen Stehlampen, die Rauchglasatmosphäre im ehemaligen Kanzlerwohnzimmer. Schwer vorstellbar, dass das bis vor dem Regierungsumzug nach Berlin einmal keine TV-Kulisse war.

Inzwischen hat Wolfgang Bosbach auf einem knautschigen Sessel im Wohnzimmer Platz genommen. Er ist bestens gelaunt, nippt ab und zu an seinem Glühwein und bleibt auch dann noch gelassen, als es um die heftig umstrittene Frage eines EU-Beitritts der Türkei geht. Zwischendurch erklärt Hallaschkas Assistentin Patricia Pantel in einem launigen Einspielfilm, was eigentlich der Vermittlungsausschuss in Berlin gerade so macht. Politik ist doch halb so wild, könnte die Botschaft heißen.

Eine gute Voraussetzung also, um junge Menschen vor den Fernseher zu locken. Dennoch sind die Einschaltquoten mies: Im Durchschnitt hat die Sendung lediglich 2,3 Prozent Marktanteil, manchmal schalten nicht mehr als 140.000 Zuschauer ein. Den Programmverantwortlichen beim WDR ist das zu wenig.

Deshalb wird es am kommenden Donnerstag den vorerst letzten „Kanzlerbungalow“ geben, eine Art Rückblick auf die vergangenen 23 Sendungen. Ob es danach weiter geht, ist bisher unklar. Eine Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen. Vorsorglich hat der WDR den Mietvertrag für das Gebäude noch nicht verlängert, Ende des Jahres läuft er aus. Dann wird der Bungalow wie vorher als Lager für das Entwicklungsministerium herhalten müssen.

Ganz am Schluss der Sendung darf CDU-Mann Bosbach dann auch noch an den Tischkicker im Eingangssaal. Während er die Kickerstäbe wild herumwirbelt, beantwortet er noch lässig ein paar Fragen des Moderators. Einfacher sind Jungwähler heutzutage nicht zu gewinnen, wird er sich denken. Danach fährt die Kamera nach draußen und zeigt in der Schlusseinstellung den blassblau beleuchteten Bungalow. Es hat aufgehört zu regnen.