Noch ein Knast-Wochenende

Nach der sensationellen Haftentlassung des Angeklagten Abdelghani Mzoudi steht jetzt auch die Freiheit für den verurteilten Mounir El Motassadeq an: Gestern beriet das Oberlandesgericht. Die Entscheidung fällt am Montag

von KAI VON APPEN

Er muss noch warten: Einen Tag nach der Freilassung von Abdelghani Mzoudi hat sich gestern das Hanseatische Oberlandesgericht auch mit der Haftentlassung des im Februar bereits als „Terrorhelfer“ verurteilten Mounir El Motassadeq befasst. Eine Entscheidung wird aber erst am Montag erfolgen. „Die Verteidiger haben darum gebeten, eine Stellungnahme zum Antrag der Bundesanwaltschaft abgeben zu dürfen“, sagt Gerichtssprecherin Sabine Westphalen. Das Gericht hat eine Frist bis Montag 13 Uhr eingeräumt.

Denn Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte sich am frühen Nachmittag, nachdem sich gar US-Justizminister John Ashcroft enttäuscht darüber gezeigt hatte, dass der Fall Mzoudi „diese Richtung eingeschlagen hat“, entschieden gegen eine Entlassung auch noch von Motassadeq gewandt.

Ihm ist wie Mzoudi Mitwisserschaft und logistische Mittäterschaft an den Anschlägen des 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon vorgeworfen worden. Motassadeq war dafür vom OLG-Senat unter Vorsitz von Albrecht Mentz im Februar wegen Beihilfe zum Mord in über 3.000 Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. „Der Inhalt des Behördenzeugnisses des Bundeskriminalamt vom 10. Dezember 2003 gibt in keiner Weise Anlass, die bisherige tatsächliche oder rechtliche Bewertung in Bezug auf die Verurteilung Motassadeqs abzuändern“, sagt Nehms Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten. Bereits am Vortag hatte Nehm den Hamburger OLG-Senat von Klaus Rühle wegen der Freilassung Mzoudis kritisiert. „Ich denke, dass die Richter gut beraten gewesen wären, vielleicht eine Nacht darüber zu schlafen.“

Dieses „Behördenzeugnis“ vom Bundeskriminalamt (BKA) – das offenkundig Angaben des vermeintlichen Chefplaners Ramzi Binalshibh wiedergibt – hatte Mzoudi und Motassadeq völlig entlastet.

Inzwischen gibt es erste Einschätzungen, weshalb das BKA im Mzoudi-Verfahren trotz des „Sperrvermerks“ der Bundesregierung vage Angaben über die Aussagen des in den USA abgeschotteten Binalshibh gemacht hat. Für Verteidiger Josef Gräßle-Münscher ist das auf die entstandene „Zangenbewegung“ zurückzuführen: So hatte eine US-Richterin in Virginia der US-Regierung sich geweigert, den Prozess gegen den Al Qaida-Mann Zacaria Moussaoui nicht zu eröffnen, wenn nicht Binalshibh und der Scheich Khalid Mohammed als Zeugen gehört werden könnten. Der Konflikt befindet sich zurzeit beim Berufsgericht.

Wenn die beiden jedoch öffentlich aussagen oder Vernehmungsprotokolle durch US-Zeitungen veröffentlicht werden, käme ans Licht, dass der Bundesnachrichtendienst und das BKA Kenntnis haben, dass Mzoudi und Mottassadeq nicht in die Pläne des Todespiloten Mohammed Atta eingeweiht waren.

Gräßle-Münscher geht zudem davon aus, dass der Bundesgerichtshof (BGH) die „Sperrung von Zeugenaussagen“ in der Revision nicht aufrechterhält. „Der BGH wird das nicht mitmachen.“ Gräßle-Münscher ist optimistisch, dass auch Motassadeq freigelassen wird: „Die Gründe für die Haftentlassung Mzoudis treffen vollständig auf unseren Mandaten zu.“