Die Schlinge um Taylor zieht sich zu

Aufregung über Planspiele der USA und einer britischen Söldnerfirma: Liberias Exdiktator Charles Taylor könnte aus seinem Exil in Nigeria gekidnappt werden. Taylors strafloses Asyl war Grundlage für das Ende des liberianischen Bürgerkrieges im August

von DOMINIC JOHNSON

Von „Staatsterrorismus“ spricht Nigerias führende Tageszeitung Guardian, und das nigerianische Parlament plant Sondersitzungen. Grund für die Aufregung sind Berichte, dass der ehemalige Präsident von Liberia, Charles Taylor, mit Billigung der USA aus seinem nigerianischen Exil gekidnappt und an das UN-Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone überstellt werden könnte. Dieses wirft dem früheren liberianischen Diktator vor, in den 90er-Jahren Rebellen in Sierra Leone unterstützt und damit für deren Kriegsverbrechen mitverantwortlich zu sein.

Taylor, historischer Rebellenführer Liberias und 1996–2003 Präsident des Landes, lebt in einem staatlichen Gästehaus in der südostnigerianischen Stadt Calabar, seit er im vergangenen August freiwillig die Macht in seinem bürgerkriegsgeschüttelten Heimatland aufgab. Nigerias Regierung sicherte ihm im Gegenzug für den Amtsverzicht die Nichtvollstreckung eines vom UN-Tribunal ausgestellten Haftbefehls zu. Dieses Arrangement ermöglichte den geltenden Friedensvertrag für Liberia.

Das UN-Tribunal und die US-Regierung sind damit nicht einverstanden. Als der US-Kongress im November neue Haushaltsplanungen für Militäroperationen in Irak und Afghanistan billigte, befand sich darin auch ein Posten von zwei Millionen Dollar als Belohnung für die Ergreifung „eines Angeklagten des Sierra-Leone-Tribunals“. Am 4. Dezember stellte Interpol einen Haftbefehl für Taylor aus, nachdem Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo unvorsichtigerweise gesagt hatte, eine Auslieferung des Exdiktators sei denkbar – aber nicht an das UN-Tribunal. Falls eine gewählte Regierung in Liberia Beweise über Taylors Verwicklung in Kriegsverbrechen vorlege und ihn selbst anklagen wolle, so Obasanjo, werde er Taylor persönlich „überzeugen“, dass er sich stellen sollte. Beim Commonwealth-Gipfel in Nigeria letzte Woche sprach sich Commonwealth-Generalsekretär Don McKinnon für eine Verhaftung Taylors aus – Nigeria lehnte ab.

Was das Fass zum Überlaufen brachte, war eine Mitteilung der britischen Söldnerfirma „Northbridge Services“ vom Donnerstag, wonach sie in der Lage sei, den Interpol-Haftbefehl zu vollstrecken, Taylor zu ergreifen und zu entführen. Es seien dafür auch schon Leute nach Nigeria geschickt worden, sagte die Firma, die in der Vergangenheit schon in der Elfenbeinküste ihre Dienste angeboten hat. „Ich glaube nicht, dass es Opfer geben würde“, brüstete sich Northbridge-Direktor Pasquale Dipofi in einem BBC-Interview. Man suche nur noch einen „Investor“, der die Kosten übernehme. „Wir wären bereit, den Profit zu teilen“, so Dipofi weiter.

Ein nigerianischer Regierungssprecher erwiderte scharf, man werde sich jedem Versuch widersetzen, Taylor zu kidnappen. Der Streit belastet auch Nigerias Innenpolitik: Der Dachverband der nigerianischen Oppositionsparteien verlangt Taylors Verhaftung und nennt das Asyl für ihn typisch für Obasanjos „korrupte“ Außenpolitik.

In Calabar selbst haben die Behörden die Sicherheitsmaßnahmen um Taylors Residenz verschärft. Seine drei Autos sind beschlagnahmt worden, Hubschrauber überwachen das Umfeld, berichten nigerianische Zeitungen. Die Taylor-Villa liegt direkt neben einer Marinebasis und ist weiträumig abgesperrt. Da private US-Sicherheitsfirmen und US-Militärberater in diesem Teil Nigerias Militär beraten, ist aber ein Überraschungscoup nicht auszuschließen.