Merry Xmas dank Saddam

Eine gute Nachricht für George Bush. Er hofft auf innen- und außenpolitischen Auftrieb. Experten warnen vor übereilter Freude

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Vergessen sind für einen Moment die gefallenen US-Soldaten und die immer wieder erlittenen Rückschläge beim Wiederaufbau im Irak. Die triumphalen Fernsehbilder von dem gefassten Schurken Saddam und den jubelnden Menschen auf den Straßen Bagdads werden sich demnächst einreihen in die Wahlkampf-TV-Spots mit der gefallenen Hussein-Statue und dem Truthahnessen am Thanksgiving-Tag. Bush kann sich selbst „Frohe Weihnachten“ wünschen und segelt mit Rückenwind ins Wahljahr 2004.

„Also das ist eine gute Nachricht“, hatte er laut Auskunft seines Sprechers den Bericht von Verteidigungsminister Umsfeld über Saddam Husseins Festnahme kommentiert. Und in seiner gestrigen kurzen Ansprache verwies der Präsident stolz darauf, das Ereignis habe gezeigt, dass die „Seite der Freiheit die Seite der Sieger“ sei: „Eine dunkle und schmerzhafte Ära ist vorüber, ein Tag der Hoffnung ist gekommen.“

Auch wenn der Präsident erneut warnte, dass der endgültige Sieg nicht errungen sei und man „noch immer Terroristen gegenübersteht, die lieber weiter Unschuldige töten, als den Aufstieg der Freiheit im Nahen Osten zu akzeptieren“, ist die Festnahme Husseins natürlich von höchster symbolischer und psychologischer Bedeutung. Es geht eine Jagd zu Ende, deren Erfolglosigkeit bislang für das Unvermögen stand, dem Zweistromland Stabilität und Sicherheit zu bringen. Die Flucht des Diktators lastete schwer auf der US-Regierung und ihren chaotischen Irakpolitik. Nun kann Bush zum Heiligen Abend den Soldatenfamilien zu Hause eine friedlichere Entwicklung im Irak in Aussicht stellen.

Experten warnen jedoch vor übereilter Freude. Als im Sommer die Hussein-Söhne Udai und Kusai getötet wurden, hoffte man schon mal auf baldige Besserung im Irak – ein Irrtum. Nahostkenner rechnen sogar mit einer kurz- bis mittelfristigen Zunahme von Anschlägen. Wie zum Beweis ihrer These war es erst am Wochenende erneut zu einem blutigen Attentat mit zwei Dutzend Toten gekommen. Auch zur Zeit der Ansprache Bushs kam eine Meldung von der Explosion einer Autobombe am hauptsächlich von Journalisten bewohnten Palestine Hotel in Bagdad.

Zweifel sind angesagt, ob und wie Hussein von seinem Erdlochversteck aus überhaupt den sich ausweitenden Guerillakrieg koordinieren konnte. Die Terrorzellen seien mittlerweile so autonom und zudem oftmals aus dem Ausland gesteuert, dass die Ergreifung Husseins möglicherweise nur einen geringen Effekt auf die Sicherheitslage haben könnte, geben die Fachleute zu bedenken. Das Weiße Haus behandelt die frohe Kunde aus Bagdad daher auch mit Vorsicht. Dennoch kann Bush sich jetzt als Befreier des irakischen Volks von der Tyrannei präsetieren; eine Tat, deren Opfer nicht umsonst gewesen sein werden. In den Augen der US-Regierung dürfte die Invasion im Irak einmal mehr ihre Rechtfertigung erfahren.

Für die Opposition kommt die Festnahme denkbar ungelegen. Dem Erfolg wird sie brav applaudieren, aber in den Hinterzimmern der Parteistrategen zerbricht man sich den Kopf über die Konsequenzen für den Wahlkampf, dessen heiße Phase Anfang Januar eingeläutet wird. Schließlich bricht den Demokraten ein weiterer Angriffspunkt gegen die Bush-Regierung weg. Sollte sich in den kommenden Monaten die Sicherheitslage im Irak tatsächlich stabilisieren, wird es für sie immer schwieriger, die Regierung beim Thema Irak vorzuführen.

In unmittelbarer Zukunft wird nun viel davon abhängen, wie Weißes Haus, Pentagon und die US-Zivilverwaltung im Irak mit dem Gefangenen Hussein verfahren werden. Bush hat wiederholt betont, dass Saddam Hussein sich für seine Verbrechen vor einem Gericht und vor dem irakischen Volk verantworten wird. An dieser moralischen Verpflichtung wird die US-Regierung gemessen werden.