Begnadete Entchen

Chinesische Akrobaten turnen und tanzen Hans Christian Andersens Märchen in Bremerhaven

aus BremerhavenHans Happel

Er wollte nie nur Märchenerzähler sein – aber allein seine Märchen haben ihn bis heute überlebt. Hans Christian Andersen ist der Vater der kleinen Meerjungfrau, des hässlichen Entleins, der chinesischen Nachtigall und der Prinzessin auf der Erbse. Zu seinem 200. Geburtstag im kommenden Jahr wird ihr Erzähler weltweit gefeiert werden.

Das niederländische Entertainment-Unternehmen Stardust-International hat jetzt zum Andersen-Gedenkjahr die zwischen glühender Leidenschaft und tiefstem Seelenschmerz hin- und hergerissenen Figuren zum Thema einer Zirkusschau gemacht: Mit einem Dutzend öffentlicher Vorstellungen im kleinen Bremerhaven bereiten sich nahezu 100 Artisten auf die offizielle Hamburger Premiere dieser Revue vor. Und tatsächlich: die Virtuosen der Lüfte zeigen ebenso poetisch wie akrobatisch, was Andersens Figuren im Innersten bewegt. Sie heben ihre Schwerkraft auf, sie tauchen sie in schönste Farben und bringen sie hoch über der Manege zum Schweben. Die Akrobaten, die größtenteils aus China kommen, haben ihre eigene Chef-Choreografin mitgebracht: Li Xining wird im Jahr 2008 die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele gestalten.

In Bremerhaven bindet sie die vielfältigsten hochakrobatischen Kunststücke in eine Revue ein, die Andersens Märchen nicht nur vordergründig als Rahmenhandlung nutzt, sondern die ausgewählten Figuren und ihre Geschichten ernst nimmt.

Da zeichnet sich das Mädchen mit den Schwefelhölzern nicht nur durch extreme Biegsamkeit aus und durch die Fähigkeit, brennende Kerzen auf Händen, Füßen und Mund zu balancieren. Die junge Artistin verkörpert zudem überzeugend das traurige, frierende Mädchen. Bevor die kleine Meerjungfrau zum ersten Mal an Land geht, wird die Wasserwelt lebendig, indem Dutzende von Akrobaten fischig neben- und übereinander durch dreifach getürmte Ringe hechten. Schließlich schwebt die Meerjungfrau in einem atemberaubenden Bravourakt hoch über der Menge auf ihren Prinzen zu, um sich in einem waghalsigen Kuss mit ihm zu verbinden.

Henk van der Meyden, Chef von Stardust-International, ist stolz auf seinen allerneuesten Themenzirkus, der nach dem Bremerhavener Vorspiel und der Hamburger Weltpremiere am 15. Dezember zunächst in der Nordregion bleibt: Auf die Stationen Hannover, Kiel, Lübeck sollen München, Amsterdam und Brüssel und womöglich Barcelona und Madrid folgen.

Erleichterung nach der Vorpremiere: Die Prinzessin auf der Erbse und ihre vier Gespielinnen sind nicht von ihrem raffiniert gestapelten Fußbank-Turm gefallen, der – mit den Füßen nach oben – von einer einzigen Frau gehalten und gedreht wird. Und auch dem prachtvollen Schwan – dargestellt von 15 Frauen auf einem einzigen Fahrrad – ist keine einzige Feder ausgefallen. Besonders schön: die kleine chinesische Nachtigall und ihre Konkurrentin, eine mechanische Spielfigur, beide meisterhaft von Kinderakrobaten vorgeführt: Am Ende möchte man all diese Märchen noch einmal nachlesen und wünscht sich unter den diversen Angeboten im Vorzelt dringlichst einen Bücherstand, wo Hans Christian Andersen schwarz auf weiß zu Wort kommt. Ein Zirkus, der zum Lesen anregt, kommt zu Weihnachten gerade richtig.

Bremerhaven: bis 12. Dezember, Infos: ☎ (04 71) 92 69 00 Hamburg: 15. Dezember - 30. Januar, Infos: ☎ (040) 688 71 30