: Lindgrüne Heimat
99 Prozent Stromlinie: „Blau“, das bereits in Heidelberg preisgekrönte Stück der jungen irischen Autorin Ursula Rani Sarma, im Malersaal des Schauspielhauses
Blau ist die Farbe der Träume. Viele träumen von einem Leben am Meer. Aber nicht Des, Joe und Danny. Denn für die drei Freunde ist der Traum schon seit ihrer Geburt Wirklichkeit. Die 17-Jährigen leben in einem irischen Kaff am Atlantik. Und wollen nichts wie weg nach dem Schulabschluss. Des (Fabian Gerhardt) träumt von einem Leben als Schwimmstar, Joe (Markus Reymann) will nur abhauen von seinem prügelnden Vater, und Danny (Stephanie Stremler) möchte in Griechenland ihre käsige Haut bräunen.
Blau heißt das Stück der jungen irischen Autorin Ursula Rani Sarma, mit dem sie den diesjährigen Publikumspreis des Heidelberger Stückemarkts gewonnen hat. Im Malersaal des Schauspielhauses ist es jetzt im Rahmen der Reihe „Junges Schauspielhaus“ als deutsche Erstaufführung zu sehen.
Das Stück befasst sich mit der Schwelle zum Erwachsenenalter, der Zeit zwischen Ende der Schulpflicht und Beginn der Lebenskür. Blau ist das Meer, an dem sich das Trio jeden Tag nach Schulschluss trifft. Blau ist das Wasser im Schwimmbad, in dem die Jungs täglich ihre Bahnen ziehen. Und blau sind sie alle drei am Wochenende schon auf dem Weg in die Stadt, wenn die Flasche mit Hochprozentigem im Auto kreist. Im Club tanzen und flirten sie (Des), fühlen sich unwohl und provinziell (Danny) oder gehen obskuren Drogengeschäften nach (Joe). Also ganz normale Jugendliche: Schule, Drogen, Clubs, Flirten und Musik, Nerv mit dem Vater, mit Mitschülerinnen und Lehrern. Das Lebensgefühl junger Leute zwischen Langeweile, Angst und Abenteuerlust wird allmählich im Malersaal spürbar. Wobei die Angst kaum ausgelotet, sondern eher behauptet wird. Zunächst dominiert die Langeweile – auch beim Zuschauer. Da hängen drei Jugendliche unmotiviert herum und reden irgendwas, das man kaum versteht, weil ständig Britpopmusik dazu dudelt.
Es dauert, bis sich ansatzweise drei Individuen aus einer x-beliebigen Clique herausschälen. Joe ist der unruhige Abenteurer, der seine Freunde in gefährliche Drogendeals hineinzieht. Die etwas zurückgeblieben wirkende Danny hingegen hat Angst davor, wegen ihrer epileptischen Anfälle verspottet zu werden. Und der nette Des hätte eigentlich gar nichts dagegen, den Rest seines Lebens in seinem Heimatort zu verbringen.
Der allerdings ist keineswegs blau: In ein ziemlich krank aussehendes Lindgrün hat Eva Maria Henschkowski den Malersaal getaucht. Mit lauter Quadraten bedeckt, die wie Schwimmbadkacheln aussehen, und mit einer Schräge, die wohl an die Klippe am Meer erinnern soll, den Treffpunkt der Freunde. Freunde? Joe nimmt Danny nicht ernst und behandelt sie wie ein manchmal lästiges Haustier. Stephanie Stremler gibt diese Danny auf irritierende Weise. Ihre stets monotone Stimme und extrem langsame Artikulation wirken so, als stünde sie dauerhaft unter Tranquilizern. Auch ihre Mimik zeigt nur minimale Veränderungen. Selbst als sie nach einem missglückten Drogendeal mit dem Gesicht in einer Wasserlache liegt und sich spastisch krümmt, sieht man sie nur stocksteif am Boden liegen. Zum Schluss cremt sie sich die Arme mit Sonnenmilch ein und hüpft mit einem Ball herum.
Stephanie Stremler ist die Irritation in einer ansonsten eher stromlinienförmigen Inszenierung von Carlos Manuel. In die geheimnisvolle Tiefe des Blaus wird hier keiner hinabgezogen. Höchstens, weil manches unverständlich bleibt. Karin Liebe
Nächste Vorstellungen: 13. und 20.12., jeweils 19 Uhr, Malersaal
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