„Klaukids“
: Hausgemachte Hysterie

Wenn man sich erst mal gehörig reingeritten hat, kommt man schlecht wieder raus aus dem Schlamassel. Selbst, wenn man wollte. So mag es denen im ordnungsbehördlichen und politischen Apparat gehen, die noch ein Restmaß an Distanz zu einem Vorgang bewahrt haben, der die Kölner Öffentlichkeit seit Monaten beschäftigt.

KOMMENTAR VONALBRECHT KIESER

Dabei ist die Erfindung der „Klau-Kids“ sicher keine Polizei- und Politinszenierung allein. Nein, es gibt Kinder, die klauen gehen. Regelmäßig und mit Erfolg. Altgediente Polizeibeamte in den Kölner Stadtteilen kennen die dazu gehörigen Familien: ohne Fortüne, ohne den großen Wurf, von der Hand in den Mund, vom Knast wieder in die Sozialwohnung. Die keinen bestechen können und nie von jemandem bestochen wurden.

Nein, die Erfindung der „Klau-Kids“ ist keine Polizei- und Politinszenierung allein. Der Kreis der einschlägigen deutschen Familien hat sich sogar um einige nichtdeutsche Familie erweitert. Warum sollen Ausländer bessere Menschen sein? Die „Klau-Kids“ als Kölner „Bedrohung“ – so hat es die Märkische Allgemeine von den Kölnern erfahren und schreibt es genauso dumm, wie sie es gehört hat, in ihr Blatt – sind exakt an dieser Stelle erfunden worden, als der Kreis der Kleinkriminellen um ausländische Kleinkriminelle größer wurde. Das gibt zu denken. Die Fakten indes geben nicht zu denken. Der Prozentsatz der delinquenten Roma-Kinder an allen Roma-Kindern Kölns liegt exakt auf der Höhe von delinquenten Studenten an allen solchen (s. taz vom 6.11.03), die Höhe des durch Taschendiebstahl anderen Menschen zugefügten Schadens liegt bei 2 bis 3 Prozent vom Gesamtschaden, die meisten Taschendiebstähle werden ohnehin von Nicht-Roma begangen .

Die „Klau-Kids“ als Bedrohung sind an dieser Stelle erfunden worden. Wer in den Ordnungsbehörden, bei den Medien oder in der Politik wissen will, wie wenig Realität hinter dem hochgedrehten Irrsinn steht, der kann es wissen. Aber wie kommt man wieder raus aus dem Schlamassel, in dem jeder jedem vergewissert, dass diese „Bedrohung“ gestoppt werden muss – die Grünen lassen in ihrer Ratspostille sogar verkünden, Ziel sei „dass die Taschendiebstähle in Köln aufhören“. Wie kommt man wieder raus aus dem hochgedrehten Irrsinn, in dem Kinder ihre Unterhose auf die Knöchel ziehen müssen und sie mit den Händen gespreizt der Polizeibeamtin der EK-Tasna zur fotografischen Dokumentation darbieten müssen? Es habe ja nur 33 „Bilddokumentationen“ gegeben, hüstelt das Innenministerium in seinem Antwortbrief an Kritiker. Und die Fotos am Körper, die werde es künftig nicht mehr geben. Nun ja. Immerhin. Man muss schon froh sein, wenn künftig die übelsten Entwürdigungen von Roma-Kindern entfallen. Auch den kleinkriminellen.

Aber wie wäre es denn, wenn dies Signal aus Düsseldorf als eines genommen würde, um ganz aus diesem Irrsinn auszusteigen und man den Kindern und ihren Familien eine Lebensperspektive in dieser Stadt gäbe?!