Behrens pfeift Polizei zurück

Kölner Polizei darf „Klaukids“ laut Innenminister nicht mehr entwürdigend fotografieren. Kriminelle Kinder nach Brandenburg abzuschieben, bezeichnet ein Heimleiter dort als „populistische Aktion“

VON ALBRECHT KIESER

Fotos von Kölner „Klaukids“ in runtergezogenen Unterhosen soll es nicht mehr geben. In einem jetzt bekannt gewordenen Antwortschreiben von Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) auf kritische Briefe des Rom e.V., des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und von „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ heißt es: „Ich habe Verständnis dafür, dass eine vom Strafverfahren losgelöste Betrachtung einiger der zur Rede stehenden Bilder beim unvoreingenommenen Betrachter unangenehme Empfindungen auslöst und missverständliche Interpretationen hervorrufen kann. Um Letzteres soweit wie möglich zu vermeiden, werde ich die Polizei in Nordrhein-Westfalen anweisen, (...) Kleidungsstücke separat – also getrennt vom Körper der betroffenen Kinder – zu fotografieren.“

Samtpfötig fällt die Kritik aus, zu der sich Behrens durchgerungen hat. Die Ermittlungsmethoden der Kölner „EK-Tasna“, deren Beamten u.a. nach Kinderschweiß schnüffeln und dreckige Unterhosen fotografieren (s. taz vom 30.10.2003), sollen in Zukunft weniger anstößig ausfallen. Doch im Großen und Ganzen steht der Dienstherr fest zu seinen Kölner Polizisten. Dabei unterstellt auch der Innenminister in seinem Brief die häufig beschworene Bedrohung der Rheinmetropole durch die „Klau-Kids“ als real.

Dem Minister hätte eine Überprüfung der polizeilichen Bildbeschreibung aus Köln gut angestanden. Denn die Angabe der EK-Tasna, etwa 80 Prozent der Taschendiebstähle in Köln würden von Romakindern begangen, wird nicht einmal von der Polizeilichen Kriminalstatistik gedeckt. Danach gehen etwa 50 Prozent der Taschendiebstähle auf das Konto von Kindern und Jugendlichen. Dass Taschendiebstähle nicht einmal 10 Prozent der Straftaten ausmachen, die in Köln begangen werden, und der Schaden mit nur zwei oder drei Prozent der durch Kriminaldelikte insgesamt verursachten Schäden zu Buche schlägt, verdeutlicht, dass die Hysterie in Köln nicht objektiv begründet, sondern politisch gemacht ist.

Auch das Innenministerium kümmert es also nicht, dass die EK-Tasna mit unwahren Behauptungen die Grundlage für die Medien- und Politikerkampagne gegen die „Klau-Kids“ gelegt hat.

Derweil qualifiziert Hans-Friderich Jahncke, Leiter des Jugendhofs Brandenburg in Berge bei Nauen, die Anfrage der Kölner Verwaltung, ob seine Einrichtung „Klau-Kids“ unterbringen würde, als „populistische Aktion“. Kriminelle Kinder aus Köln in der Weite Brandenburgs abzuschieben, damit man sie „auf halbem Weg nach Sibirien“ habe, sei eine „Bankrotterklärung der bundesrepublikanischen Integrationspolitik“. Ohnehin arbeite seine Einrichtung nach dem Prinzip der Freiwilligkeit.

Im Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) Berlin-Brandenburg indes werde man auch Kinder nehmen, die nicht freiwillig kommen, teilt Geschäftsführer Siegfried Dreusicke mit. Man habe Köln die Aufnahme von drei Kindern im Prinzip zugesagt, vorbehaltlich einer Prüfung. Dass die Kinder aus Familien mit prekärem Aufenthaltsstatus kommen, sei dem Verband nicht bekannt. Ob damit das Ziel des EJF, die Kinder „sozial zu reintegrieren“, überhaupt erreichbar sei, werde man zu gegebener Zeit prüfen müssen.