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Bratwurst gibt’s auch in der Krise

GEWERKSCHAFT Der DGB jubelt über 20.000 Teilnehmer bei seiner Kundgebung am Brandenburger Tor. Die Gewerkschaft schaffe es aber nicht, den sozialen Protest voranzutreiben, kritisieren Teilnehmer

Selten war die 1.-Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) so international wie dieses Jahr. Das lag nicht nur an der globalen Finanzkrise, sondern vor allem an Bier und Bratwurst am Brandenburger Tor. Auf der Straße des 17. Juni tummelten sich zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Sympathisanten auch noch einige hundert ausländische Touristen. Für sie galt dann die englische Übersetzung, die immer wieder über Lautsprecher dröhnte: „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Die Veranstalter gehen von 20.000 Teilnehmern aus – „so viele wie lange nicht mehr“.

Zum Start der traditionellen Demonstration des Berliner DGB am Wittenbergplatz sah es hingegen mau aus: Nur wenige hundert Protestler, meist Gewerkschaftsmitglieder, zogen wie die Jahre zuvor vom Wittenbergplatz zu Fuß, per Motorrad oder Fahrrad Richtung Innenstadt. Die Krise sei noch nicht bei den Menschen angekommen, meint Andreas Kreutzer, Ingenieur bei Nokia. „Es ist erstaunlich, dass selbst jetzt so viele Menschen ruhig bleiben und sich nicht wehren“, wundert sich eine Betriebsrätin der Bundesdruckerei.

„Wir haben es nicht mit einer Konjunkturdelle zu tun, sondern mit einer Systemkrise“, sagt Dieter Scholz, DGB-Vorsitzender von Berlin-Brandenburg. Sein Beleg: Im Jahr 1637 habe es die erste Spekulationskrise in den Niederlanden gegeben – mit Tulpen. Daran zeige sich, dass „Spekulation nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel“.

Als Ausweg aus der Krise fordert Scholz eine „Renaissance des Sozialstaates“ und eine Umverteilung von oben nach unten. Kapital und Vermögen sollten die Lasten der Krise tragen – und nicht die Arbeiter. „Wenn das so einfach wäre“, kommentiert ein Teilnehmer der Kundgebung. Immerhin hätten auch Arbeitnehmer vom wirtschaftlichen Wohlstand profitiert. Lauten Beifall erntet Scholz hingegen für seine Forderung nach mehr Mitbestimmung in der Wirtschaft.

Als „absolut zu flach“ bezeichnet indes Gerhard Neumann, Ver.di-Mitglied seit 25 Jahren und im Bankenwesen tätig, die Veranstaltung am Freitagvormittag. In seiner Betriebsgruppe gebe es sehr wohl eine Stimmung von sozialer Unzufriedenheit, doch die Gewerkschaften würden das nicht auffangen. Die Bewegung von unten komme in dem Apparat nicht an. „Der DGB hat nach wie vor die Illusion, man könne zum rheinischen Kapitalismus zurückkehren“, wettert Neumann. Ob damit künftig Massen zu mobilisieren sind, wird sich beim nächsten Protesttag am 16. Mai in Berlin zeigen.

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