„Die Kritik war bloß Neid“

HEINZ KLAUS MERTES Er ist bissig, nannte Günter Wallraff einen „Scheinaufklärer“. Dann machte er Sat.1 zum „Kanzlersender“ und kassierte dafür Kritik. Heute ist Mertes Medienberater – und Vielflieger

Wenn Heinz Klaus Mertes aus seinem Fenster schaut, sieht er die Idylle: den Starnberger See, schneebedeckte Hänge, Frühlingssonne. Dabei passt der ehemalige Chefredakteur des Bayrischen Rundfunks und Ex-Sat.1-Informationsdirektor viel besser in sein Büro in Berlin-Mitte, dort, wo politisch gekämpft wird.

Der 66-Jährige ist bissig. Heute wie damals, als er sich Mitte der Achtzigerjahre Günter Wallraff vorknöpfte und ihm im „Report München“, den Mertes moderierte, unlautere Recherchemethoden vorwarf. Der „Scheinaufklärer Wallraff“ (Mertes) hatte kurz zuvor undercover die Lebensbedingungen eines Gastarbeiters in Deutschland erfahren und das Erlebte in seinem Buch „Ganz unten“ beschrieben. Mertes legte daraufhin eine 240-Seiten-Replik vor; Titel: „Ali.“

1993 wollte Mertes wieder eine Antwort geben, „auf die links-liberal dominierten Medien“. Er ging zu Sat.1, „ein Gegengewicht schaffen“. Acht Mal empfing er dort den ewigen Kanzler Helmut Kohl. „Zur Sache, Kanzler“ hieß das Format, hatte überhaupt keinen Biss, wurde verrissen und schaffte es, „Sat.1 jahrelang als ‚Kanzlersender‘ in Verruf zu bringen und Legionen von Journalistenschülern als Negativbeispiel für Hofberichterstattung in der Politik zu dienen“, wie es Stefan Niggemeier und Michael Reufsteck in ihrem „Fernsehlexikon“ ausdrücken.

Heinz Klaus Mertes sieht das anders. Natürlich. Er hat Spaß daran, sich zu reiben, „die Grenzen auszuloten“. Die Sendungen seien journalistisch einwandfrei gewesen, sagt er. Außerdem habe ja nicht nur er Fragen gestellt, und dass die anwesenden Redakteure vor dem Sonnenkanzler auf die Knie gingen, könne man ja nun nicht ihm anlasten. „Die ersten Seiten der Zeitungen waren gefüllt mit Zitaten aus der Sendung“, sagt Mertes, „die Kritik auf den hinteren Medienseiten war Neid.“

Heute berät Heinz Klaus Mertes Verbände im strategischen Umgang mit Medien. Und geht regelmäßig in die Luft: Zwischen den Büros am Starnberger See und in Berlin-Mitte benutze er „den Flieger wie die Straßenbahn“. Es scheint viel Beratungsbedarf zu geben – dort, wo gekämpft wird.

JÜRN KRUSE