Industrie will Klima anheizen

Der Bundesverband der Industrie fordert eine höhere Zuteilung von Verschmutzungsrechten beim Emissionshandel. Damit würden die Unternehmen ihren Ausstoß in den nächsten Jahren steigern, statt ihn – wie versprochen – zu senken

BERLIN taz ■ Die Industrie fordert mehr Emissionsrechte für den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid. Der Hintergrund: Die Regierung hat Anfang der Woche die Berechnung für die Zuteilung von Emissionsrechten an die einzelnen Fabriken und Kraftwerke beendet, die für den 2005 beginnenden Emissionshandel gelten soll. Demnach haben die Unternehmen nach taz-Informationen Bedarf an 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid mehr angemeldet, als das Zuteilungsgesetz vorsieht.

Gemäß dem Gesetz müsste die Regierung nun allen Fabriken, die nicht von Sonderregeln profitieren, die fehlenden 14 Millionen Tonnen anteilig abziehen. Dadurch würde sich deren Reduktionspflicht stark erhöhen. Die Regierung solle daher einfach mehr Verschmutzungsrechte verteilen, fordert nun Klaus Mittelbach vom Bundesverband der Industrie (BDI). „Jede Form der Verschärfung wird bei uns zu einem Aufstand höchster Ordnung führen“, drohte er im Handelsblatt.

Gäbe die Koalition nach, wüchse die Kohlendioxid-Emission der Industrie auf 509 Millionen Tonnen. Aus der geplanten Verminderung ihrer Klimagase um 0,4 Prozent bis 2007 würde ein Zuwachs um 2,4 Prozent.

Dass es überhaupt zu dieser Situation kommen konnte, liegt daran, dass überraschend viele Konzerne von der „Optionsregel“ Gebrauch gemacht haben – einer Ausnahmeregelung, die der Wirtschaftsminister ins Gesetz gedrückt hatte. Diese erlaubt Firmen, ihr Altanlagen wie Neuanlagen behandeln zu lassen, wenn das günstiger für sie ist. Vor allem die große Grundstoffindustrie und große Energiekonzerne hätten versucht, hieß es gestern aus SPD-Kreisen, sich über die Optionsregel mehr Zertifikate zu sichern, als sie benötigten.

Angeschmiert sind die kleinen Betriebe, die keine Sonderregeln in Anspruch nehmen konnten. Wie aus Koalitionskreisen gestern zu erfahren war, will die Koalition die Emissionsobergrenze aber nicht anheben. Stattdessen will die Regierung ein „Rücklaufmodell“ anwenden: Dabei geht sie davon aus, dass die Firmen, die sich jetzt zu viel genehmigt haben, damit auffallen werden – und die Regierung die Zertifikate bei späteren Kontrollen zurückverlangen kann, um sie nachträglich an die kleinen Betriebe auszuteilen. Das Problem: Die EU-Kommission verbietet nachträgliche Aberkennung von Zertifikaten. Der Bund zog bereits gegen das EU-Verbot vor Gericht. Verliert er, ist die Lösung passé. MATTHIAS URBACH