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: Diesmal mit einer real existierenden Jazzgruppe: Jan Jelinek und sein neues Album „1+3+1“

Schon immer hat Jan Jelinek mit Erwartungen gespielt. Natürlich hätten seine wunderbaren Minimal-House-Platten auch ohne Titel und nur in weiße Hüllen verpackt ihre Wirkung nicht verfehlt. Aber was Alben wie „Loop-Finding-Jazz-Records“, „Textstar“ oder „La Nouvelle Pauvreté“ ihren besonderen Twist gab, war ihre konzeptuelle Überformung. Wahrscheinlich hätte sich Jelinek seine Samples auch von sonstwo herholen können. Doch ob Jazz, Soul, Funk, Disco oder alte Soundtracks: Dadurch, dass er die Quellen zugleich connaisseurhaft und respektvoll immer wieder ausstellte, behauptete er eine musikalische Kontinuität, die durch diese Behauptung dann immer auch real wurde. Musik ist eben niemals allein.

Da erscheint es fast zwangsläufig, dass er diesem Spiel nun einen neuen Dreh gegeben und sich mit einer real existierenden Jazzgruppe zusammengetan hat, um eine Platte einzuspielen: Triosk, ein Trio aus Sydney. Drei Jungs Mitte zwanzig in der klassischen Piano-Bass-Schlagzeug-Kombination, manchmal spielt der Schlagzeuger aber auch Vibraphon, und der Pianist setzt sich mitunter an das Fender Rhodes E-Piano. Vor einigen Jahren fanden sie sich zusammen, um experimentellen Jazz zu spielen, also Jazz, der sich nicht am überlieferten Formenkanon dieser Musik orientiert, sondern am Prinzip der Improvisation. Sie nahmen sich elektronische Musik und begannen auf Basis von Loops zu improvisieren. Bevorzugt Loops, die sie aus Stücken von Jan Jelinek bezogen. Loop-Finding-Jazz-Musicians könnte man diese Vorgehensweise in Anlehnung an Jelineks Album auch nennen. Bei einem Auftritt in Sydney lernten Triosk und Jelinek sich kennen und vereinbarten eine Zusammenarbeit.

Für „1+3+1“ hat Jelinek dem Trio Loops und Sounds nach Sydney gesandt, auf deren Basis Triosk dann improvisierte Musik einspielten, die sie wiederum nach Berlin zurückschickten und die von Jelinek noch einmal bearbeitet wurde. Doch von Letzterem hört man erstaunlich wenig. Mal knuspelt es ein wenig, mal schiebt sich ein schräge Fläche zwischen die Instrumente. Jan Jelinek lässt die drei Musiker einfach machen. Es ist eine Platte wie ein Rückbau. In welchem Material Jelineks Ursprungssounds auch immer wurzeln mögen: Triosk spielen, als wollten sie seine Samples in den Jazz der späten Sechziger und frühen Siebziger rückführen.

Mal hört sich diese Musik an wie eine sehr freie Variante auf das Bill Evans Trio, mal wie Musik des auch von Jelinek sehr geschätzten Archie Shepp jener Zeit, bloß ohne Saxofon. Mal erinnert die Musik an das frisch elektrifizierte Miles Davis Quintett. Triosk behandeln Jelineks Material offensichtlich genauso, wie Jelinek sein Material behandelt: Ohne den Bezug zu verlieren, verformen sie es in etwas ganz anderes. So gelungen das ist, ein wenig unbefriedigt lässt es einen dann doch zurück. Was wahrscheinlich gar nicht so sehr an der Musik liegt, sondern an der Erwartung.

Für sein letztes Album „La Nouvelle Pauvreté“ hatte sich Jelinek noch die Fakegruppe Les Exposure hinzuimaginiert. Für die Zusammenarbeit mit einer realen Gruppe hätte man mit einem wie auch immer gearteten kreativen Quantensprung rechnen wollen. Mit dem souveränen Hüpfer, der eine neue Behauptung mit Leben erfüllt. So ist „1+3+1“ ein experimentelles Jazzalbum geworden, eine Art Unterseite des Jelinek-Sounds, das sich mehr mit seinem Namen schmückt, als dass es ihn zum Klingen bringt. TOBIAS RAPP

Triosk Meets Jelinek: „1+3+1“ (Scape Records/Indigo)