Beichtstuhl für den Kabeljau

Im EU-Agrarrat geht es um die Frage, was Vorrang hat: Fische oder Fischer?

BRÜSSEL taz ■ Die Fischereiminister der EU beraten seit gestern in Brüssel über die Festlegung der Fischfangquoten für das nächste Jahr. Bundesagrarministerin Renate Künast (Grüne) und ihre Kollegen stehen vor der schwierigen Aufgabe, gefährdete Fischarten zu schützen und gleichzeitig die Jobs der Fischer im Auge zu behalten.

Traditionell zur Vorweihnachtszeit gibt es vor allem bei den großen Fischfangnationen erbitterten Streit um TACs und Quoten, wie es im EU-Jargon heißt. Bei den TACs geht es um die zulässigen Gesamtfangmengen je Fischart. Über die Quoten werden den einzelnen EU-Staaten nationale Höchstfangmengen zugewiesen. Die italienische Ratspräsidentschaft hat zwei Tage für das sensible Thema eingeplant, es können aber auch drei werden. Im letzten Jahr brauchten die Agrarminister fünf Tage für eine Einigung.

Agrarkommissar Franz Fischler hat Mitte des Monats einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der eine drastische Reduzierung der Fangmengen vor allem von Kabeljau und Seehecht vorsieht. Dänemark, Irland, Frankreich, Großbritannien, Portugal und Spanien lehnen den vorliegenden Entwurf ab. Der italienische Agrarminister Giovanni Alemanno will die Fronten in bilateralen Gesprächen, dem so genannten Beichtstuhlverfahren, knacken.

Die Kommission muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, ihr Vorschlag nehme mehr Rücksicht auf die Fische als auf die Fischer. Die EU-Behörde weist das zurück. Es gebe keinen Widerspruch zwischen Bestandsschutz und Fischereiwirtschaft, sagte der Sprecher von Agrarkommissar Fischler: „Ohne Fische keine Fischer.“

Meeresbiologen sehen die EU-Gewässer bereits so weit heruntergefischt, dass sie einen Kollaps der Bestände befürchten. Besonders gefährdet ist der Kabeljau. Der technisch-wissenschaftliche Fischereiausschuss fordert deshalb ein Fangmoratorium für den Nordseefisch, was aber mit den traditionellen Fischereinationen nicht zu machen ist. Der Kommissionsvorschlag beschränkt sich darum darauf, die Höchstfangmenge um bis zu 53 Prozent zu senken.

Bundesagrarministerin Renate Künast ist für den kompletten Fangstopp. Kabeljau wird automatisch bei Schellfisch und Wittling mitgefangen. Künast will die Fangquote deshalb mit diesem Beifang ausschöpfen. Ein solches faktisches Fangmoratorium würde aber an den Vetos von Dänemark, Irland und Großbritannien scheitern.

„In der Sache haben wir kaum Aktien, wir sind keine Fischereination“, heißt es in der deutschen Delegation. Die Bundesregierung unterstützt darum die Kommissionsvorschläge und fordert dazu die Sperrung wichtiger Laichgründe und von Gebieten mit einem hohen Anteil an Jungkabeljau. KARL DOELEKE