Senioren sind keine Sprayer

Land und Wohnungsunternehmen wollen stärker in altersgerechte Wohnungen investieren. Der Bedarf ist laut einer neuen Umfrage im Kreis Unna zehn Mal so hoch wie das Angebot

AUS BOCHUMNATALIE WIESMANN

Ältere Menschen sind angenehme Mieter, weil sie keine Graffiti sprühen und pünktlich ihre Miete zahlen. So warb Lutz Freitag, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungsunternehmen (GdW), gestern auf einem Kongress in Bochum für die Investition in altengerechtes Wohnen. Dass Menschen so lange wie möglich selbstverantwortlich leben, sei nicht nur ein Gewinn für die Betroffenen selbst, sondern schone auch die Ressourcen der Gesellschaft: Für diese sei jede Form des betreuten Wohnens kostengünstiger als ein Heimplatz.

Auch Landesbauminister Michael Vesper (Grüne) appellierte gestern an die Wohnungsunternehmen im Bundesland, vermehrt in barrierefreies Wohnen zu investieren: „Gebrechlichkeit soll nicht mehr dazu zwingen, die gewohnte Umgebung zu verlassen“. Die Nachfrage nach Alternativen zur Heimunterkunft wachse stetig an, so der Minister. Bisher müssten die sozialen Träger jedoch bei Wohnungsbaugesellschaften „Klinken putzen“, um sie für einen altersgerechten Wohnungsbau zu bewegen, kritisiert Vesper. Um den Ausbau des boomenden Wohnungssektors voranzutreiben, habe das Land Nordrhein-Westfalen nun auch die Modernisierungsförderung der Altersheime für Bestandswohnungen geöffnet.

„Der Minister redet zwar ständig davon, wir haben aber von dieser Förderung noch nichts gesehen“, moniert Roswitha Sinz vom Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen (VdW) gegenüber der taz. Im Ruhrgebiet sind 380.000 Wohnungen in der Hand des VdW. Das Problem ist: Die Modernisierung von alten Wohnungen ist oft so teuer wie ein altengerechter Neubau. Allerdings könnten durch den Umbau von alten Wohnungen große Leerstände vermieden werden und die alten Menschen würden nicht aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen.

Im Ruhrgebiet, wo die Bevölkerung noch schneller altert als anderswo, sieht das Angebot für ältere Menschen jedoch nicht besonders gut aus: Drei bis vier Prozent der älteren Menschen leben in irgendeiner Form des betreuten Wohnens, der Bedarf ist jedoch zehn mal so hoch. Das hat eine gestern veröffentlichte Umfrage des Bochumer InWis-Instituts unter der älteren Bevölkerung im Kreis Unna hat ergeben. Etwa 30 Prozent der Senioren über 75 Jahren wünschen sich ein umfassendes Angebot: Dazu gehört neben der barrierefreien Wohnung auch ein Netz an Hilfs- und Dienstleistungen.

Volker Eichener, Leiter der Studie, widerspricht dem Selbstbild Nordrhein-Westfalens, es sei „Motor“ der Seniorenwirtschaft: „Bayern und vor allem Baden-Württemberg sind viel weiter als Nordrhein-Westfalen“, sagt er. In Freiburg würden über 30 Prozent der SeniorInnen in einer der vielen Formen des betreuten Wohnens leben. Doch der Glaube an das Vorzeige-Senioren-Land NRW ist ungebrochen: „Wir werden alte Menschen ins Ruhrgebiet locken“, ist sich Burghard Schneider, Verbandsdirektor des VdW, sicher.