Kapitalismuskritik bleibt auf der Strecke

Man muss sich schon auf etwas einlassen können: Regisseur Christoph Frick verhandelt am Schauspiel Hannover mit Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ das Thema Arbeit und redet dabei der Arbeitsglobalisierung das Wort

Fast fünf Millionen Arbeitslose, eine brüchige Gesundheitsreform, die Bedrohung durch Hartz IV: Deutschland stand schon lange nicht mehr vor so gravierenden Einschnitten wie zurzeit. Das Theater als seismografisches Medium kann schnell auf diese Entwicklungen reagieren und so in der politischen Diskussion mitmischen – entweder durch neue Stücke oder auch mit Klassikern, deren Aussagen neu in der Jetztzeit verortet werden. Um das Thema Arbeit und Würde auf die Bühne zu bringen, ist das Schauspiel Hannover letzteren Weg gegangen und hat den Schweizer Regisseur Christoph Frick für die Inszenierung von Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ verpflichtet.

Für die Gegenwart scheint die Geschichte der Familie Loman, die Miller als Kommentar zum kapitalistischen Wirtschaftssystem 1949 geschrieben hat, einiges herzugeben: „Tod eines Handlungsreisenden“ ist gleich auf mehreren Spielplänen in Deutschland präsent. Doch in Hannover sieht man von einer Auseinandersetzung mit Arbeitslosigkeit und was diese vom Menschen übrig lässt keine Spur: Die Charaktere bleiben starr im kargen Bühnenbild, das Familiendrama bleibt omnipräsent, der Transfer zum Thema „Arbeit“ lässt sich nicht herstellen.

Dabei hatten die Hannoveraner das Stück großzügig mit „Ich-AG“ überschrieben. So veranschaulicht die Inszenierung zwar, dass Arbeit nicht nur zum Broterwerb dient, sondern ein wesentliches Merkmal von Identität und sozialer Anerkennung ist. Jedoch transportiert sie nicht, dass dieser Umstand bei Miller auch schuld ist am Zerfall der Familie und der Lebenslügen.

Am Ende bleibt die Aussage: „Wer sich nicht auf etwas einlassen kann, ist selber schuld.“ Womit der Arbeitsglobalisierung das Wort geredet wäre und die von Miller intendierte Kapitalismuskritik auf der Strecke bleibt.

Kerstin Fritzsche

nächste Vorstellungen: 7. und 8.12., jeweils 20 Uhr