berliner szenen Fight the fear

Molllastige Wolkendecke

Seit Tagen befindet sich die Stadt unter einer dichten Wolkendecke. Alles ist grau. Keine Sonne nirgends. Schleichende Apokalypse. Und da kommen ausgerechnet aus dem sonnenverwöhnten Madrid die Leute her, um uns das Fürchten zu lehren?

Tatsächlich schien genau das der Auftrag zu sein, den die spanischen Postrockheroen Migala am Sonntag im Knaack erfüllen wollten. Jedes zweite Stück wurde mit einer Variation des Satzes „The next song is about fear“ angekündigt. Zum Beispiel „We have to learn to love our fears“ oder „The fear is a part of you and you’re a part of the fear.“ Dass es dabei nicht um die Angst vorm Zahnarzt ging, war auch klar: „This song is a joke, but a serious joke about the world we live in.“ Um nichts anderes als die tagtäglichen kleinen Haifischbecken, in die der Kapitalismus uns wirft, sollte es gehen. Die Musik klang entsprechend: molllastig mit gebändigter Wut.

Vorgetragen wurden die Elegien vom siebenköpfigen Postrockkammerorchester mit einem hohen Grad an Perfektion. Jeder der sieben wusste genau, was zu tun war. Jeder Ton saß. Große Melodiebögen wurden gespannt. Manchmal Richtung Wüstenrock, manchmal Richtung Vertonung alter Stummfilme. Was auch passte, wurden doch auf die Musik abgestimmte Videoarbeiten projeziert.

Zum Ende hin wurde es dann unter dem Motto „Fight the fear“ auch noch richtig versöhnlich. Die Katharsis schien gewirkt zu haben, in den Stücken kam die Sonne durch. Aus dem Soundtrack zum inneren Amoklauf wurden Hymnen aufs Überleben. Der allerletzte Song war Migalas allererster: „This song is from 1994. Then we were losers, now we’re no winners, but we’re no losers anymore.“ Immerhin.

GUIDO KIRSTEN