Ungarn zeigen Referendum die kalte Schulter

Abstimmung über doppelte Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn scheitert an zu geringer Wahlbeteiligung

BERLIN taz ■ In Ungarn ist das umstrittene Referendum über die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn an mangelnder Beteiligung gescheitert. Zwar stimmten 51,5 Prozent der Wähler mit einem Ja zur doppelten Staatsbürgerschaft und nur 48,5 Prozent mit Nein. An der Abstimmung beteiligten sich jedoch nur rund 37 Prozent der Wahlberechtigten. Die geforderte Mindestzustimmung von 25 Prozent aller Wahlberechtigten wurde damit nicht erreicht. Das Parlament ist somit nicht verpflichtet, ein Gesetz zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn zu verabschieden.

Ungarns sozialistischer Regierungschef Ferenc Gyurcsány zeigte sich erleichtert vom Ausgang des Referendums. Die Wähler hätten sich für „verantwortungsvollen Patriotismus und gegen Nationalismus“ ausgesprochen. Mit Blick auf die leichte Mehrheit der Ja-Stimmen sagte Gyurcsány jedoch, das Land wünsche eine neue nationale Politik mit mehr Verantwortung und mehr Möglichkeiten für die Auslandsungarn. Die Regierung werde sich deshalb bemühen, einen Weg zu finden, wie die ungarischen Minderheiten aus Nicht-EU-Staaten besser unterstützt werden könnten. Dabei geht es vor allem um die Ungarn aus der Ukraine und Serbien sowie aus Rumänien, das erst 2007 der EU beitritt. Gyurcsány versprach, die Reisemöglichkeiten für Ungarn aus diesen Ländern zu verbessern.

Der Chef des nationalkonservativen Bundes Junger Demokraten, Viktor Orbán, sprach hingegen davon, dass das Ja gesiegt habe und das Referendum deshalb gültig sei. Er rief die Regierung dazu auf, die Vertreter der Auslandsungarn aus den Nachbarländern zusammenzurufen und mit ihnen gemeinsam ein Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft auszuarbeiten.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren zwei Drittel des damaligen ungarischen Staatsgebietes an Nachbarländer gefallen. Heute leben große ungarische Minderheiten in Rumänien, der Slowakei, Serbien und der Ukraine sowie kleinere ungarische Minderheiten in Kroatien, Slowenien und Österreich. KENO VERSECK