Politiker überholen die Terrorfahnder

Noch sind die Fakten über den angeblich geplanten Anschlag auf den irakischen Ministerpräsidenten Ajad Allawi in Berlin dünn. Aber Innenpolitiker haben das Thema schon für sich entdeckt – als Argument für oder gegen eine Stärkung des BKA

„Der Einsatz beweist die gute Zusam-menarbeit von BKA und Länderpolizeien“

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Fahnder der Bundesanwaltschaft durchsuchten gestern einen weiteren Gewerbehof in Berlin nach Spuren eines verhafteten Irakers. Da waren deutsche Innenpolitiker mit der Auswertung des möglicherweise vereitelten Anschlags auf den irakischen Ministerpräsidenten Ajad Allawi schon eine Stufe weiter.

Noch fehlen Fakten, die genau belegen, ob und wie die drei inhaftierten mutmaßlichen Mitglieder der islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Islam in Berlin ein Attentat verüben wollten. Trotzdem wird die Aktion bereits in einem alten Machtkampf ausgeschlachtet: dem Streit um die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geforderte Zentralisierung der „Sicherheitsarchitektur“. Glaubt man Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), dann lässt der jüngste Anti-Terror-Einsatz nur einen Schluss zu: Die föderale Organisation der Sicherheitsbehörden muss bewahrt werden. Die Verdächtigen seien „auf Grundlage der Ermittlungen örtlicher Sicherheitskräfte in Bayern und Baden-Württemberg“ festgenommen worden, argumentiert Becksteins Sprecher. Es habe weder Hinweise des Bundesnachrichtendienstes noch des US-Geheimdienstes CIA gegeben. Dies belege: „Sicherheit wird vor Ort produziert.“ Lokale Kräfte seien besser in der Lage „Moscheen und Hinterhöfe“ zu beobachten, als eine „Bundesbehörde mit einem riesigem Apparat“.

Ähnlich klingt die Analyse aus dem Hause des baden-württembergischen Innenministers Heribert Rech (CDU): „An diesem Fall sieht man, wie wichtig Orts- und Milieukenntnisse für erfolgreiche Ermittlungen sind.“

Die prompten politischen Fallanalysen kommen nicht von ungefähr. Schily will noch vor Weihnachten sein Zentralisierungsprojekt durchsetzen und dem Bundeskriminalamt (BKA) zusätzliche Befugnisse für die Terrorismusbekämpfung verschaffen. Es ist schon der zweite Anlauf: Denn bei der Innenministerkonferenz vor einigen Wochen hatten selbst SPD-Kollegen aus den Ländern gegen die Zentralisierung votiert. Nun gilt die Hoffnung des Ministers einem anderen Gremium: der Föderalismuskommission.

Schily selbst wollte die Fallinterpretationen aus Süddeutschland gestern nicht kommentieren. Das übernahmen stattdessen andere. Zwar sei der „große Erfolg der deutschen Sicherheitsbehörden“ ein „Beleg für die gute Zusammenarbeit des BKA mit den Länderpolizeien“, erklärte BKA-Chef Jörg Ziercke der taz.

Allerdings habe sich auch „deutlich gezeigt, dass die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr nicht voneinander getrennt werden dürfen“. Im Klartext: Im Bundeskriminalamt will man den Fall nicht als Argument gegen eine Zentralisierung gelten lassen. Der Generalbundesanwalt habe schließlich bereits in diesem Verfahren ermittelt, damit habe – im Gegensatz zu anderen Fällen – auch das BKA selbst aktiv werden dürfen. Zierckes Fazit: Seine Behörde brauche zur Terrorbekämpfung „auch präventive Befugnisse, um in Risikolagen schnell handeln zu können“.

Welche Seite hat nun Recht? Möglicherweise keine. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vertrat gestern die Ansicht, die Anschlagspläne gegen Allawi taugten für die eine Auslegung so wenig wie für die andere. Schließlich habe in diesem Fall neben den Ländern auch der Bund bereits ermittelt.

Und was hatte es auf sich mit den Anschlagsplänen? Darüber könnte die Öffentlichkeit womöglich heute mehr erfahren: Denn der Generalbundesanwalt will sich noch mal persönlich zu den Ermittlungen äußern.