Beifall für Chiracs Kopftuchverbot

Die Grundsatzrede des französischen Präsidenten zur Verbannung religiöser Insignien aus den Schulen findet breite Zustimmung. Nur die Fundamentalisten und die Lehrergewerkschaft sind dagegen – aus unterschiedlichen Gründen

PARIS taz ■ „Chirac predigt die Republik“ titelte das kommunistische Blatt Humanité. Am anderen Ende des politischen Spektrums machte der konservative Figaro über fünf Spalten mit dem Dreiklang der Französischen Republik auf: „Liberté, égalité, fraternité“ und ergänzte dazu das Schlagwort „Laizität“. Wie die meisten anderen Medien sowie die Mehrheit der PolitikerInnen und Kleriker lobten beide Zeitungen den Vorstoß, die Trennung von Staat und Religion, die in Frankreich Verfassungsrang hat, erneut und offensiv zu verteidigen. Auch wenn die Methoden weiterhin umstritten sind.

Staatspräsident Jacques Chirac ist für Gesetze und Verbote. Am Vortag hatte er im Élysée-Palast eine Grundsatzrede gehalten und gleich zwei neue Gesetze für das nächste Jahr angekündigt: Eines soll das „demonstrative Tragen“ religiöser Zeichen in der staatlichen Schule untersagen. Damit sind offiziell sowohl Kippot, große Kreuze und Kopftücher gemeint. Doch alle verstehen, dass es vor allem um die Verschleierung von muslimischen Schülerinnen geht. Das andere Gesetz soll für Geschlechtergleichheit in den staatlichen Krankenhäusern sorgen. Es soll unter anderem verhindern, dass schwangere Frauen, beziehungsweise ihre fundamentalistischen Männer, weiterhin darauf bestehen, nur von weiblichem Personal behandelt zu werden.

Erwartungsgemaß fand Chirac breite Zustimmung. Ein Gesetz ist die einzige Möglichkeit. „Wir müssen die Neutralität des öffentlichen Raumes verteidigen“, sagt die Feministin Fadela Amara, die im vergangenen Frühling eine Demonstration von jungen Frauen aus Einwandererfamilien mitorganisiert hat. „Ich bin zufrieden“, erklärt der Großrabbiner Joseph Sitruk. „Ein weiser Vorschlag“, meint der Rektor der großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur.

Grundsätzlich positiv reagieren auch die großen Parteien. Allen voran Chiracs rechte Einheitspartei UMP. Selbst Innenminister Sarkozy und Erziehungsminister Ferry, die sich zuvor gegen ein Schleierverbot ausgesprochen hatten, nennen Chiracs Initiative jetzt „angemessen“. Die SozialdemokratInnen hatten sich nach lang anhaltendem parteiinternem Streit bereits vor mehreren Wochen mehrheitlich für ein gesetzliches Verbot ausgesprochen.

Gegen ein Gesetz sprechen sich religiöse FundamentalistInnen aus. Und – die Mehrheit der Gewerkschaften der LehrerInnen. Letzteres, obschon die LehrerInnen zu den energischsten VerteidigerInnen der Laizität gehören. Sie befürchten, dass ein Verbot erstens nicht das Grundsatzproblem im Umgang mit islamistischen Schülerinnen löst. Und zweitens, dass es ganz nebenbei auch das Tragen von politischen und gewerkschaftlichen Logos in der Schule verbietet. Genaueres werden sie im Februar erfahren. Dann will Regierungschef Raffarin das Gesetz vorlegen. DOROTHEA HAHN