Hauptschulen rufen um Hilfe

Nach der Veröffentlichung der zweiten Pisa-Studie sind sich Bildungssenator Böger und Experten einig: Hauptschulen brauchen Sozialarbeiter. Schwierige Fälle „erreichen wir nicht“, so eine Rektorin

VON JULIANE GRINGER
UND PLUTONIA PLARRE

Die zweite Pisa-Studie zeigt: Die deutschen Schüler haben sich ins internationale Mittelfeld vorgearbeitet. Das gilt aber hauptsächlich für Gymnasiasten – an den Hauptschulen hat sich nichts getan. Dort stünden die „alltäglichen Probleme des Überlebens im Vordergrund“, sagte der Leiter der deutschen Forschungsgruppe von Pisa, Manfred Prenzel, am Montag bei der Präsentation der Bildungsstudie. Hauptschullehrer seien mehr damit beschäftigt zu stabilisieren, als Wissen zu vermitteln.

Er wolle in Hauptschulen künftig auf Lehrerstellen verzichten und Sozialarbeiter einstellen, hatte Bildungssenator Klaus Böger (SPD) der taz am Montag als Reaktion auf die Pisa-Studie gesagt. Bögers Sprecher Kenneth Frisse korrigierte die Äußerung des Senators gestern dahingehend: „Über das Lehrerpersonal hinaus sollen Sozialarbeiter beschäftigt werden.“ Wann, wo und wie das geschehen solle, ist laut Frisse noch unklar. Bei so etwas könne man „nicht aus der Hüfte schießen“.

Sozialpädagogen könnten die Lehrer entlasten, sagt Bernd Böttig, Direktor der Eberhard-Klein-Oberschule in Kreuzberg. Viele sozial schwache Schüler seien zwar mehr als gut mit technischem Spielzeug ausgestattet. „Es fehlt aber jemand, der ihnen zuhört und mit ihnen redet“, so Böttig. „Lehrer allein können das nicht leisten.“ Einzelne, schwierige Fälle „erreichen wir nicht“, räumt Angela Kasberg, Leiterin der Anna-Siemens-Oberschule in Neukölln, ein. Zusätzliche Sozialpädagogen könnten intensiver mit Betroffenen arbeiten.

Hauptschullehrer seien in der Regel gut ausgebildet und sehr engagiert, sagt Norbert Gundacker, der bei der GEW die Fachgruppe Hauptschulen leitet und selbst an einer solchen Schule unterrichtet. „Viele haben sich bewusst für die Hauptschule entschieden, weil sie sich für Benachteiligte einsetzen wollen, die keine Lobby haben.“ Zusätzliche Sonderpädagogen seien „genau das, was fehlt“.

Auch die bildungspolitischen Sprecher von PDS, Grünen, CDU und FDP begrüßen das Vorhaben als richtige Reaktion auf die Probleme in den Hauptschulen mit Gewalt und Schulschwänzern. Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter und fordern für alle Schultypen Sozialarbeiter.

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