EURO-LÜGEN: GRIECHENLAND WIRD NICHT BESTRAFT
: Gespenstische Patriotismus-Debatte

Griechenland ist mit einem blauen Auge davongekommen. Die „fantasievolle Buchführung“, mit der die staatlichen Kassenverwalter in Athen von 1996 bis 2003 ihr Budgetdefizit geschönt haben, wird von der EU-Kommission scharf gerügt, aber nicht bestraft. Die konservative Regierung Karamanlis in Athen, die das Desaster nicht zu verantworten hat, kann aufatmen. Denn Brüssel gestand ein, dass die Schuld zum Teil auch bei Eurostat lag, wo die Mängel der griechischen Statistiken nicht rechtzeitig erkannt und korrigiert wurden.

In Athen läuft nun eine gespenstische Debatte, in der der sozialistische Ex-Ministerpräsident Kostas Simitis eine unerwartete Rolle spielt. Statt einzugestehen, dass seine These vom „starken Griechenland“ – mit der er 2000 noch einmal die Wahlen gewinnen konnte – auf tönernen Füßen stand, attackiert er die neue Regierung mit derbem Populismus. Und tut dabei so, als hätten Karamanlis und sein verantwortungsbewusster Wirtschaftsminister Alogoskoúfis ihr blühendes Land in Brüssel schlechtgeredet. Das erinnert an die Zeiten der alten Pasok, als die Kampfgefährten des Andreas Papandreou ihre Betrügereien in Brüssel als patriotische Tat verkaufen konnten – solange die Beute nicht in private Taschen floss.

Für die noch kein Jahr amtierende neue Regierung hat das offene Schuldeingeständnis schlimmere Konsequenzen verhindert. Das bringt ihr in Brüssel Sympathien ein, entlastet sie aber nicht von dem Druck, der auf dem griechischen Staatshaushalt lastet. Olympia kostete mit über 9 Milliarden Euro doppelt so viel wie erwartet. Und die Pensionsfonds der halbstaatlichen Banken wollen ihre Defizite auf den Staatshaushalt überwälzen. Nur so kann etwa die Handelsbank, das viertgrößte Geldhaus des Landes, ihre Bilanz sanieren und einem ausländischen Käufer angedient werden.

Der Anreiz zu akrobatischen Rechenkünsten mit Einnahmen und Ausgaben ist also stärker als je zuvor. In Brüssel wird man wachsam bleiben. So bleibt Karamanlis wohl nichts anderes übrig, als den Griechen reinen Wein einzuschenken. So gesehen hat der blaue Brief der EU-Kommission für die konservative Regierung in Athen wenigstens einen Vorteil: Sie kann die bitteren Konsequenzen für die „kleinen Leute“ als Strafe für die Illusionen der Simitis-Ära darstellen. NIELS KADRITZKE