DIE ROT-GRÜNE CHINA-POLITIK IST VERWASCHEN UND OPPORTUNISTISCH
: Patrioten in Peking

Kanzler Schröder sieht sich in China als „Türöffner für die deutsche Wirtschaft“. Der Abschluss milliardenschwerer Wirtschaftsverträge und die Eröffnungen von Niederlassungen deutscher Konzerne bestärken ihn darin. Das gefällt Schröder so sehr, dass er dies zu seiner Hauptrolle in der China-Politik gemacht hat. Für die Probleme sollen andere zuständig sein. So schiebt der Kanzler etwa die Menschenrechtsfragen in einen so genannten Rechtsstaatsdialog ab, der völlig unverbindlich ist, oder überlässt dem Außenminister das Problem, von der chinesischen Regierung die Einhaltung ihrer eigenen Gesetze einzufordern.

Eine Arbeitsteilung mag sinnvoll sein, wie auch Anreize und Druck gelegentlich Hand in Hand gehen müssen. Doch Schröder signalisiert Peking vor allem, dass China-Politik in Deutschland Chefsache ist. Mag Außenminister Fischer in Peking deutlich die Einhaltung der Menschenrechte fordern, ein Bundespräsident Rau in Nanjing weise Worte über universelle Freiheitsrechte sprechen oder der Bundestag in Berlin mit rot-grüner Mehrheit die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China ablehnen: Den Kanzler ficht das nicht an. Er hält es nicht einmal für nötig, vor seinen China-Reisen den Menschenrechtsbeauftragten seiner Regierung zu konsultieren. Sein Signal an Peking lautet vielmehr: Kümmert euch nicht um die anderen, die China-Politik mache ich.

Die Chinesen hörten das bisher – bestärkt durch ähnliche Erfahrungen unter einem Kanzler Kohl – mit Freude. Zu Kohls Zeiten hatte wiederum Joschka Fischer noch 1996 einen „wirklichen Neuanfang“ in der China-Politik der Bundesregierung gefordert. Stattdessen setzt Schröder Kohls China-Politik nahtlos fort. Während Kohl 1995 unter Protesten der Grünen die Volksbefreiungsarmee besuchte, will Schröder jetzt dieser Armee den Kauf europäischer Waffen ermöglichen.

Und Fischer? Im Vergleich zum regelmäßigen Peking-Besucher Schröder, der die Rhetorik Pekings und der EU von einer strategischen Partnerschaft übernahm, ist Fischers Interesse an China begrenzt. Der Ausdruck „strategische Partnerschaft“ ist ihm gegenüber Peking noch nie über die Lippen gekommen. Der Grüne geht mit den Roten in Peking realistischer und prinzipienfester um als der von schwarzen Zahlen geblendete Kanzler. Fischer versucht dabei die schlimmsten Auswüchse der China-Politik des Kanzlers zu stoppen wie im Fall der Hanauer Atomanlage. Die hatte Schröder ohne Rücksprache mit Fischer den Chinesen zugesagt – ebenso wie ein deutsches Ja zur Aufhebung des EU-Waffenembargos. Bei Hanau musste schließlich Schröder seine Zusage an Peking zurücknehmen, beim Embargo konnte eine offene Spaltung zwischen Kanzler und Regierungsfraktionen gerade noch verhindert werden.

Die Arbeitsteilung von Schröder und Fischer beschädigt beide Politiker. Und insgesamt ist eine solche China-Politik verwaschen, opportunistisch und kontraproduktiv. SVEN HANSEN