Ruanda will keinen Krieg mit Kongo

Die ruandische Militärintervention im Ostkongo gilt den dort stationierten Hutu-Milizen. Dass Kongos Regierung bei dem Angriff nicht mitmacht, sieht Kigali als Bestätigung der eigenen Position: Man muss jetzt unilateral handeln

KIGALI taz ■ Zwei Wochen nach den ersten Berichten über eine ruandische Truppenentsendung in den Osten der Demokratischen Republik Kongo gibt es keine klare Bestätigung seitens Ruandas. „Vielleicht“ habe man angefangen, gegen die Hutu-Milizen im Ostkongo aktiv zu werden, sagte Präsident Paul Kagame letzte Woche dem ruandischen Parlament. „Alle Berichte über eine ruandische Truppenentsendung nach Kongo sind falsch“, sagte wenige Tage später sein Sonderberater Richard Sezibera.

Diese Bemerkung heißt nicht, dass es keine ruandischen Truppen im Kongo gibt. Im Kongo selbst ist Ruandas Vorstoß in die Provinz Nordkivu hinein von zahlreichen Quellen bestätigt worden. Die ruandischen Soldaten dringen in Gebiete vor, die sie während des Kongokrieges 1998–2003 nicht kontrollierten und wo die Milizen gut ausgerüstete Basen haben. Auch ohne Bestätigung fehlt es aber nicht an Hinweisen. Seit mehreren Wochen berichten ruandische Medien über Vorbereitungen der Hutu-Milizen jenseits der Grenze zu einem Angriff auf Ruandas Staatsgebiet. Gegenüber dem UN-Sicherheitsrat wurde darauf hingewiesen, dass wichtige Täter des ruandischen Völkermordes von 1994 noch im Kongo leben und die UN-Truppen im Ostkongo wohl nicht in der Lage seien, die Milizen kleinzukriegen.

Bei einem Treffen mit Kongos Präsident Joseph Kabila schlug Kagame eine auf zwei Wochen und 150 Kilometer begrenzte Operation in Zusammenarbeit mit Kongos Armee vor, um die Milizen im Ostkongo zu „neutralisieren“. Kabila lehnte ab und schickt eigene Soldaten, um Ruandas Armee zu bekämpfen.

In Ruanda gilt Kabilas Truppenentsendung als Beweis, dass Kongos Regierung es mit dem Kampf gegen die ruandischen Hutu-Milizen nicht ernst meint. „Wenn Kabila 10.000 Soldaten nach Osten schicken kann, um gegen Ruandas Armee zu kämpfen, warum hat er sie nicht vorher geschickt, um gegen die Milizen zu kämpfen?“, fragt ein ruandischer Beobachter in Kigali.

Ruandas Regierung fühlt sich bestätigt, dass sie allein gegen den Rest der Welt stehe, was den Kampf gegen die verbliebenen bewaffneten Anhänger der Führer des Genozids von 1994 angeht. In Kigali werden Parallelen zum US-Vorgehen gegen Saddam Hussein gezogen: Man könne die eigene Sicherheit nicht anderen anvertrauen. So kann Ruandas Militäraktion im Kongo als indirekte Folge des Wahlsiegs von George Bush in den USA gesehen werden. Während Kongo Sanktionen gegen Ruanda fordert, verlangt Ruanda von der UNO eine Veränderung des Mandats der UN-Truppen im Kongo, um die Milizen gewaltsam entwaffnen zu können – bisher ist dies nur auf freiwilliger Basis möglich, was nicht funktioniert: Zum Stichtag 26. November hat die UN-Mission im Kongo nach eigenen Angaben 6.947 ruandische Hutu-Milizen aus dem Kongo nach Ruanda gebracht. 15.000 sollen übrig sein. Alternativ schwebt Ruanda ein Abkommen mit Kongo vor, um Ruanda freie Hand zu lassen. So jagt Ugandas Armee im Südsudan die ugandischen Rebellen der „Lords Resistance Army“. Zwischen Kongo und Ruanda ist das Misstrauen für so einen Deal zu tief.

DOMINIC JOHNSON