Es grüßt: Hanaus Brennelementefabrik

Europas Atomenergiebehörde schließt heute einen Vertrag mit China, der deutschen Konzernen Patentschutz sichert. Prompt kündigt Siemens an, 20 neue AKWs in China ausrüsten zu wollen. Hermes soll bürgen, was die Grünen wieder in Rage bringt

VON NICK REIMER

China, China über alles: Auf dem EU-China-Gipfel geht es nicht nur um das Waffenembargo (siehe Seite 3). Sondern auch um Kernfusion. Die European Atomic Energy Community (Euratom) wird heute einen Vertrag „über Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ mit China schließen.

Das Reich der Mitte hat ein Problem: Seit Jahren brummt die Wirtschaft, Zuwächse von 9 Prozent gelten jedes Jahr als Norm. Dieses Wirtschaftswachstum verlangt gewaltige Mengen Energie. Zwar stieg Chinas Stromproduktion im letzten Jahr um 14,5 Prozent, trotzdem kam es in 14 Provinzen zu Abschaltungen, 200 Millionen Menschen waren betroffen. So kündigte Chinas Atombehörde im März den Bau 8 weiterer AKWs an. Bereits davor standen 12 Neubauten fest.

Da passt der Vertrag mit Euratom ganz gut: Es geht um gemeinsame Forschung – die längst totgesagte Kernfusion wird offiziell wiederbelebt – und gegenseitigen Informationszugang. Großen Raum nehmen Technologietransfer und Rechtssicherheit bei Patenten ein. Genau das haben Europas Konzerne immer gefordert – um mit China ins Geschäft zu kommen.

Nicht verwunderlich ist deshalb, dass Siemens nun Sicherheitstechnik für die 20 geplanten AKWs liefern will. Wie der Stern berichtet, soll der mehrere 100 Millionen Euro schwere Auftrag über staatliche Hermes-Bürgschaften abgesichert werden. China, Siemens, Hermes-Bürgschaften. Das klingt nach regierungsamtlichen Zoff.

Erinnert sei an die Hanauer Brennelementefabrik. Kanzler Schröder – derzeit mit deutschen Managern auf seiner jährlichen Chinareise – hatte 2003 Siemens dabei unterstützt, das nie in Betrieb gegangene Werk nach China zu verkaufen. Der wochenlange Streit mit den Grünen endete schließlich mit der Sprachregel: „China ist nicht interessiert.“ Auch wenn ein zuständiger Diplomat das seinerzeit mit einem „zumindest im Moment“ relativierte – die Bündnisgrünen feiern das als ihren Erfolg.

Zurück auf Los, so sieht es aus. „Mit unserem Koalitionspartner ist verabredet, dass es für jedweden Neubau von atomarer Energietechnik keine Hermes-Bürgschaft gibt“, sagt Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen. Dass derlei Geschäfte erst dank des heute unterzeichneten Euratom-Abkommens möglich werden, ärgert Hustedt zwar. „Euratom ist von uns aber nicht steuerbar.“ Derzeit erarbeitet die Atomkommission einen adäquaten Vertrag – mit Japan.

„Es gibt einen Modus Vivendi – und da ist Atomenergie nicht dabei“, erklärt Axel Berg, Hustedts Kollege bei der SPD. Selbst wenn der sozialdemokratische Wirtschaftsflügel das anders interpretiert – Berg sagt: „Hier aus der Atomkraft auszusteigen und die anderswo mit Steuergeld auszubauen, das wäre bigott.“ China will seine Atomkapazität bis 2020 auf 36 Gigawatt vervierfachen. Klingt viel, macht aber nur etwa 3 Prozent der Gesamt-Stromproduktion aus. Zum Vergleich: Deutsche AKWs verfügen über eine Nennleistung von knapp 22 Gigawatt, liefern aber mit 28 Prozent den meisten Strom.