„Die Aufgaben erfüllt, die er zu erfüllen hatte“

In Hohenschönhausen und Marzahn sind Passanten über das vorzeitige Ende der Haft von Egon Krenz sehr erfreut

Sie sitzt mit gestrecktem Rücken auf dem Plastikstuhl vor dem Eiscafé Florenz. Unter dem Glasdach, nahe den Garnituren und den osteuropäischen Kellnern hinter der Eisbar, denen die Heizungsluft im Linden-Center Hohenschönhausen die Wangen rötet. Ihren Namen will sie nicht nennen. Sie sagt, Angela Merkel habe ihr Ost-Selbstbewusstsein verraten an diesen neuen deutschen Staat, der 1989 entstanden ist. „Der Krenz steht wenigstens zu dem, was er getan hat.“ Sie faltet ihre Hände, an denen sie in die Jahre gekommenen Silberschmuck trägt, und presst die dünnen Lippen aufeinander. 50 Jahre alt sei sie zu Wendezeiten gewesen, Lehrerin für Mathematik und Politik. Egon Krenz war damals zwei Jahre älter. Und noch im Juni 89 fand er es vollkommen in Ordnung, dass im Namen des Sozialismus auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking die Studenten erschossen wurden. 1997 wird er wegen Totschlags in vier Fällen an der deutsch-deutschen Grenze zu sechs Jahren Haft verurteilt. Jetzt ist Krenz frei. Nur vier Jahre war er im Knast. „Ich kann das nur begrüßen. Immerhin war er zum Schluss der Chef der DDR“, sagt ein 67-Jähriger, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden will. Er wünscht sich, der ostdeutsche Staat hätte „noch tausend Jahre weiter bestanden“. Allein steht er vor der „UCI-Kinowelt“ in Marzahn. Eine Weile später bemerkt er: „Nach dem Mauerfall war ich wie erschlagen. Der Krenz hat die Aufgaben erfüllt, die er zu erfüllen hatte.“

Mittlerweile stellt sich Egon Krenz anderen Herausforderungen. Trotz seiner Haftstrafe seit Januar 2000 durfte er arbeiten und kam bei der Fluggesellschaft Germania unter, die er jetzt gegen einträgliche Honorare berät.

„Wissen Sie, was mir am meisten fehlt in diesem Staat? Die Sicherheit. Und ehrliche Politiker“, sagt die ehemalige DDR-Lehrerin. Und nippt an ihrem Kaffee.

LIA PETRIDIS