Land ohne Vergangenheit

Pisa-Primus Finnland will jetzt deutschen SchülerInnen helfen – mit einer zu gut gemeinten Internetseite

Eigentlich gäbe es nun wirklich keinen Grund, dieses Land schlecht zu denken. Es produziert aus Gummistiefeln mobile Telefone. Es nummeriert sein Bier je nach Alkoholgehalt von eins bis vier. Es lässt seine Einwohner Familien- und sonstige Angelegenheiten bei Bier Nummer vier in der Sauna besprechen. Es designt gesundheitsfördernde Nahrungsmittel. Es hat Kinder, viele Kinder. Und Computer, viele Computer. Computerkinder. Computerklassen. Ansonsten lässt es uns in Ruhe beim Schlechtfühlen. Nur manchmal schickt es den stummen, trinkenden, blassen Mann mit den trüben Augen, der dem Schlechtfühlen Stil beibringt – für einen Kaurismäki-Augenblick. Dazu trösten die Leningrad-Cowboys mit Besserfühlsound.

Finnland. Und plötzlich zwitschert es aus den Monitorlautsprechern. „Woooow“. Es blökt und raunzt. „Ich bin der König von Mumintal“. Finnland. Knallblau der Himmel, grüngrell die Bäume – ein echter Kracher, dieses neue finnische Internetgesicht (www.finnland-kids.de). „Moi (so sagt man Hallo auf Finnisch), jetzt machen wir zusammen mit dem Mumintroll eine Reise nach Finnland.“ Und schon hat man mehr Gründe, dieses Finnland schlechter zu denken, als es sich jemals auf Internetseiten und PR-Auftritten selbst verkaufen könnte. Schuld sind die finnischen Botschaften in Berlin, Wien und Bern, die nun pünktlich zur offiziellen Präsentation der zweiten Pisa-Studie den deutschen SchülerInnen im Intrenet zeigen wollen, wie sie zum „spaßigen“ Lernen gebracht werden müssen. Und was Finnland so alles draufhat.

Finnland. Das war lange Zeit der kleine stille Klassenkamerad, ganz hinten im Eck, der lieber keinen Ärger machte, weil für gewöhnlich die Macht den Ärger macht. Der lieber kuschelte, als es sich mit dem lautstarken Rädelsführer zu verderben. Bis die Sowjetunion kurzerhand sitzen blieb. Und Finnland sich zum kleinen Besserwisser ganz vorne mauserte, der nicht einfach besser sein kann, sondern offensiv wissen lässt, wie besser sein funktioniert. Der zahllose Presse- und Politikergeschwader durch idyllische Wälder und sterile Entwicklungslabore schleust, um anschließend bei Pralinées im Nokia-Headquarter die Geheimnisse des Erfolgs zu propagieren. Nicht ohne selbst den trinkenden, blassgesichtigen Mann noch als folkoristischen Part seiner Erfolgsgeschichte zu besetzen. Das gute Schlechtfühlen aber lassen wir uns nicht nehmen. Taksi! Und raus aus dem Land ohne Vergangenheit. SL