Bobs Schützenfest

Teewurst unterm Tannenbaum: HSV-Handballer deklassieren den TSV Großwallstadt mit 29:19

Für die optimale Bescherung war gegen Ende nur noch eins von Interesse. Nicht das Ergebnis des HSV – 29:19 –, nicht seine Punkte – 26:8 – , sondern die Zahl der verkauften Eintrittskarten. Schließlich wurde der Rekordwert 10.412 vermeldet. Erstmals über 10.000 Zuschauer beim HSV-Handball – ein perfektes Präsent für Trainer Bob Hanning, der das Team am 17. Dezember 2002 übernommen hatte.

Damals war der HSV noch Schlusslicht, nun steht der aus Schwartau transferierte Newcomer-Club auf Platz vier der Handball-Bundesliga und hat die Spötter verstummen lassen, die behaupteten, eher ließe sich Eishockey in der Wüste Nevadas etablieren als Handball in die Hansestadt tragen. Hannings Anteil daran beschränkt sich nicht auf die sportliche Seite, auch vier Sponsoren brachte er in die einstige Handball-Provinz.

Die Situation erinnert an den französischen Nachkriegs-Film Tatis Schützenfest, in dem Provinzpostbote François einen Streifen über die US-Post sieht und daraufhin beschließt, die Briefbeförderung radikal zu modernisieren. Mit seinem klapprigen Drahtesel rast er in atemberaubender Geschwindigkeit über die Dörfer und distanziert bei seiner wilden Fahrt sogar das Feld der Tour de France.

Ausgerechnet zu Hannings Amtsjubiläum am Mittwoch war dem HSV beim Überholen Spitzenreiter Flensburg in die Speichen geraten. Mit 26:34 traten die Emporkömmlinge die Heimreise an. Gegen Großwallstadt stand Bobs Schützenfest reloaded an. Wie auch eine Neuerung, die einem Deal des Multifunktions-Coaches mit der Rügenwalder Mühle entsprang und ganz dem „Rapidité“-Motto des wackeren François entsprach: Der Teewursthersteller („grob, fein oder mit Schnittlauch“) stellte ein Messgerät für die Geschwindigkeit der Torwürfe auf.

Zu Beginn sicherte ein überragender Goran Stojanovic im Tor die HSV-Führung und beschwerte sich mehrfach, dass seine Vorderleute nicht schnell genug zu Tempogegenstößen antraten, um die Paraden zu verwerten. Erst als seine Kollegen dies zunehmend beherzigten, brachen die Gäste ein. Mit insgesamt vier Unterzahl-Treffern zog der HSV von 10:8 über den Pausenstand 14:9 auf 18:10 davon. Stojanovic polierte derweil weiter seine Statistik auf, die schließlich 22 Paraden vermeldete.

In Bedrängnis geriet er erst nach Spielende, als jugendliche Autogrammjäger das Parkett stürmten. Artig wünschte der Jugoslawe den Umhertollenden frohe Festtage, ehe er geschwind in die Kabinen flüchtete. Vorher überreichte ihm ein Mädchen noch ein Weihnachtsgeschenk. Der flachen Form nach wird es keine Teewurst gewesen sein.

Folke Havekost