berliner szenen Besser als zu Hause

Nudelsuppenseligkeit

Im asiatischen Restaurant sitzen zwei Menschen: die Restaurantbetreiberin und der Mann mit dem Bier. Der Mann mit dem Bier kommt jeden Tag, weil neben der Theke ein Fernseher steht und die Preise niedrig sind. Das billigste Nudelgericht kostet einen Euro.

Vor sechs Wochen hat die Wirtin des asiatischen Restaurants farbige Lichterketten aufgehängt. Sie hat einen kleinen Nikolaus aus Porzellan auf die Theke gestellt, neben dem Buddhaschrein, an dem sie täglich neue Räucherstäbchen befestigt. Sie hat Tannenzweige im Raum verteilt und Sterne aus Kunststoff. Sie hat ihr Lokal in eine weihnachtlich geschmückte Bambushütte verwandelt. Es sieht bunt aus und behaglich. Man muss sich den Gebräuchen des Landes anpassen, denkt die Restaurantbetreiberin. Eine Höflichkeit gegenüber der Kundschaft, die sich von selbst versteht, findet sie.

Der Mann mit dem Bier sitzt an diesem Nachmittag schon zwei Stunden da und guckt in den Fernseher. Es ist der Tag, an dem der irakische Diktator Saddam Hussein zerzaust in einem Erdloch gefunden wird, aber auf RTL 2 laufen nur Werbung und Gewinnspiele. Die Menschen im Fernsehen sind festlich angezogen und stoßen andauernd mit Sektgläsern an. Es gibt DVD- Player und Fotohandys zu gewinnen.

Der Mann mit dem Bier guckt auf den Bildschirmund trinkt noch ein Glas. Ansonsten passiert nicht viel. Einmal kommen zwei Leute rein. Sie bestellen die billigen Nudeln und gehen wieder. Mehr ist nicht los. Aber mit einer gut aussehenden Asiatin und einem Fernseher in einer schön geschmückten Hütte zu sitzen, denkt der Mann, ist besser als allein in der Wohnung, wo sich gar nichts bewegt.

KIRSTEN KÜPPERS