„Der Euro blockiert Politikinstrumente“

Ökonom Wilhelm Hankel hält die Gemeinschaftswährung für die Wurzel der wirtschaftlichen Misere in Deutschland

taz: Herr Hankel, sehen Sie sich von der aktuellen Entwicklung in ihrer Grundsatzkritik am Euro bestätigt?

Wilhelm Hankel: Voll und ganz – und das ohne Schadenfreude. Denn die Reformblockade, die wir hierzulande tagtäglich erleben und die jetzt im Vermittlungsausschuss aktenkundig gemacht worden ist, hat einen makroökonomischen Hintergrund, der in Deutschland leider total verdrängt und ausgeblendet wird. Wegen der europaweit gemeinschaftlichen Währung mit der Steuerung durch die EZB sind sämtliche Instrumente der Globalsteuerung für die Wirtschaft in Deutschland ausgefallen. Wir können von uns aus weder Wechselkurse bewegen noch die Zinsen noch die Haushalte.

Und das erklärt die volkswirtschaftliche Misere, mit der sich gerade Deutschland herumschlägt?

Ja. Diese Blockierung der drei entscheidenden Instrumente des bundesdeutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes ist der eigentliche Grund für die Stagnation der deutschen Wirtschaft. Und das kann auch nicht über so genannte Reformen am Arbeitsmarkt ausgebügelt werden. Man muss es so sehen: Der Euro hat eigentlich erst den Arbeitsmarkt und damit die deutschen Arbeitnehmer zum Sündenbock für unsere gesamtwirtschaftlichen Probleme gemacht.

Sie werden nicht viele Wirtschaftswissenschaftler finden, die in dieser Schärfe argumentieren.

Dass es tatsächlich am Euro liegt, dass wir an den entscheidenden ökonomischen Hebeln nicht mehr drehen können, wird in fast allen Debatten verdrängt. Ich halte es wirklich für meine fast heilige Pflicht, daran wenigstens zu erinnern. INTERVIEW:
HERMANNUS PFEIFFER