Monsterwellen machen Weltmeere unsicher

Bisher wurden Monsterwellen als Seemannsgarn abgetan. Jetzt konnten die riesigen Wasserberge erstmals mit Satelliten nachgewiesen werden

Seit Jahrhunderten erzählen Seefahrer in Hafenkneipen und dunklen Spelunken Horrorgeschichten von Monsterwellen, die ganze Schiffe mit Mann und Maus verschlingen. Offizielle Stellen haben diese Berichte stets in das Reich der Fabel verwiesen. Obwohl diese Abenteuer eher an die legendären Romane von Jules Verne erinnern, verschwinden tatsächlich immer wieder große Tanker spurlos auf den Weltmeeren. Für einige Wissenschaftler war das Grund genug, diesem „Phantom der Meere“ auf den Grund zu gehen.

Nun ist es Wolfgang Rosenthal vom Forschungszentrum Geesthacht bei Hamburg gelungen, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) im Projekt „MaxWave“ die Existenz dieser Riesenwellen nachzuweisen. Zwei Earth-Remote-Sensing (ERS)-Satelliten der Europäischen Raumfahrtbehörde sammelten über den Ozeanen Radarbilder der Oberfläche. Die Analyse dieser Aufnahmen zeigte mehr als zehn dieser Wellen, die über 25 Meter hoch waren. „Nachdem wir bewiesen haben, dass sie existieren, und dies in höherer Zahl, als alle erwarteten, ist der nächste Schritt die Untersuchung, ob sie vorhergesagt werden können“, beurteilt Rosenthal die Situation.

Daher fließt das Bildmaterial von der ESA in ein neues Projekt ein – den so genannten „WaveAtlas“. Dieses digitale Kartenwerk soll alle Monsterwellen weltweit verzeichnen. „Nur Radarsatelliten können uns das Datenmaterial liefern, das wir für eine solide statistische Analyse der Weltmeere brauchen“, erklärt Susanne Lehner von der Universität in Miami, die diese Datensammlung in Kooperation mit deutschen Forschern erstellt.

Erste Resultate bringen Licht ins Dunkel: Solche monströsen Wasserberge treten meist dort auf, wo normale Wellen auf Meeresströmungen und komplizierte Wirbel treffen. Diese bündeln dabei die Energie der seichteren Fluten, so dass immer neue Wände entstehen. Als besonders gefährlich gilt daher die südliche Spitze Afrikas mit dem Kap der Guten Hoffnung. Dort trifft der warme Agulhasstrom auf das viel kältere Wasser der Westküste. Auch der Golfstrom im Nordatlantik verursacht Riesenwellen, wenn er auf die Strömungen der Labradorsee stößt.

Aber solche ungeheuren Brecher können auch ganz zufällig entstehen, so im Zusammenspiel von Wetterfronten mit Tiefdruckgebieten. Die Forscher befürchten auch, langlebige Stürme, die länger als zwölf Stunden währen, könnten solche „Freakwellen“ verursachen. Durch den starken, andauernden Wind würden sich einzelne Wellen überlagern, bis sie zusammen die Höhe eines zehnstöckigen Hauses erreicht hätten. Doch noch viele Fragen bleiben vorerst unbeantwortet. „Wir kennen einige der Ursachen für die Riesenwellen, aber längst nicht alle“, seufzt Rosenthal. JOACHIM EIDING