Auf Pegasus‘ Flügeln ins Ungewisse

In Krisenzeiten gelten Transfergesellschaften gern als Patentrezept. Tatsächlich sind die Erfolgsaussichten unklar

Für Klaus Franz ist es „die Basis für die Zukunft, die Basis für alles“. Doch nicht alle Opelaner finden die mit dem Management des Mutterkonzerns General Motors ausgehandelte Idee, den Arbeitsplatzabbau bei Opel über eine Transfergesellschaft zu regeln, so sexy wie der Gesamtbetriebsratsvorsitzende: „Das bedeutet Kündigung auf Raten“, sagt der ehemalige Bochumer Betriebsratschef Peter Jaszczyk. Der Konflikt zeigt das Spannungsfeld, in dem die Transfergesellschaften angesiedelt sind, die anderswo auch Auffang- oder Beschäftigungsgesellschaften heißen: irgendwo zwischen neuer Perspektive und zeitlicher Abfederung einer letztlich unabwendbaren Arbeitslosigkeit.

Bis zu 9.500 Opel-Arbeiter sollen – freiwillig – in eine solche Gesellschaft überwechseln. Eine Milliarde US-Dollar lässt sich General Motors das Projekt kosten. Einen Teil des Lohns übernimmt für zwei Jahre die Bundesagentur für Arbeit (BA) – die Rede ist von 50 Prozent des letzten Gehalts. Die Regel wäre ein Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent für Kinderlose und 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern, allerdings nur für zwölf Monate. Opel soll dann auf 95 Prozent aufstocken. Die Beschäftigten sollen die Zeit nutzen, um sich weiterzuqualifizieren. Nach den zwei Jahren ist Schluss. Im schlimmsten Fall droht ein Jahr später das Abrutschen ins Arbeitslosengeld II.

Transfergesellschaften sind in Deutschland nicht neu: Bundesweit gibt es mehrere hundert. Nur wenige wie Mypegasus, die zwei Drittel der übernommenen Beschäftigten der insolventen Bremer Vulkan-Werft wieder in Lohn und Arbeit brachte, agieren überregional und erfolgreich. Die Telekom-Auffanggesellschaft Vivento konnte beispielsweise nur 7.500 von 26.500 Frauen und Männern extern unterbringen. Einen statistischen Überblick über Erfolg und Misserfolg von Transfergesellschaften gibt es nicht. Mitte 2005 will die BA eine Bilanz vorlegen.

Offiziell sind die Betreiber von Transfergesellschaften Non-Profit-Organisationen, viele gehören jedoch Anwälten, die sogar doppelt verdienen: zunächst als Insolvenzverwalter und später über die Gesellschaft. Auch die Verbindung zu Gewerkschaften ist umstritten. So ist der IG Metall-Justiziar Peter Hunnekuhl Teilhaber von Mypegasus, die Opelaner aus Rüsselsheim und Kaiserslautern auffangen soll. Oppositionelle Betriebsräte mutmaßen, dass die IG Metall so an der Lösung mitverdient.

Bei Opel-Bochum hat man bereits Erfahrung: Seit 2002 sind bereits 600 Beschäftigte in die Transfergesellschaft BAQ gegangen. Große Weiterbildungsangebote haben gerade die Älteren von ihnen nicht erhalten: „Die meisten sitzen in der Zeit auf der Couch“, sagt der 55-jährige Ex-Opelaner Norbert Spittka.

Experten halten eine Transfergesellschaft gerade im strukturschwachen Ruhrgebiet für eine schlechte Lösung. „Das ist ein Nullsummenspiel“, sagt Georg Schulze, Unternehmensberater der Bochumer Firma ISA Consult. Eine Transfergesellschaft sei ein „Befriedungsbonbon“ für die Belegschaft und könne lediglich versuchen, Arbeiter zielgenauer zu vermitteln.

Trotzdem werden sich wohl genügend Arbeiter finden, die freiwillig mitmachen: Zu unsicher ist die Zukunft der Opel-Standorte, zumal Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster gerade erst neue Einsparungen angekündigt hat. KLAUS JANSEN