Radioaktivität aus dem Tagebau

Umweltschützer warnen: Aus den Braunkohletagebauen wehen radioaktive Feinstäube. Mögliche Folge sind Atemwegserkrankungen und Krebs. NRW-Umweltministerin Höhn sieht Handlungsbedarf

VON ALEXANDER FLORIÉ

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Bürgergemeinschaft Niederzier (BG) warnen vor den möglichen Gefahren radioaktiver Feinstäube durch den Braunkohletagebau Hambach. „Wir befürchten, dass Feinpartikel mit Radioaktivität in die Biosphäre gelangen“, sagt Dirk Jansen, Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen BUND-Landesverbands.

An der Messstation in Oberzier habe man seit dem 1. Oktober Werte von zehn bis 30, in der Spitze sogar 80 Mikrogramm pro Kubikmeter ermittelt, erklärt Reinhold Biel, Strahlenschutzexperte der BG Niederzier: „Gesetzlich erlaubt aber sind nur 50 Mikrogramm.“ Die mögliche Folge: ein höheres Risiko von Lungenfunktionsstörungen, Atemwegserkrankungen und Krebs.

Man müsse die Menschen ernst nehmen, betont Biel: „Am Donnerstag vorletzter Woche ist eine Frau aufgetaucht, die erzählte, dass bei ihr in der Straße von zehn Leuten sieben an Krebs erkrankt sind.“ Der BUND fordert jetzt ein umfassendes Messprogramm. „Vor allem muss man für eine sachliche Gefahrenanalyse da messen, wo das Zeug runterkommt – in den Orten Elsdorf oder Jüchen, die direkt in der Luftlinie liegen“, so Jansen.

Die von BUND und der BG beanstandenen Werte richten sich nach dem Bundesimissionsschutzgesetz: „Danach darf es im Jahr 35 Überschreitungen von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter als Tagesmittelwert geben“, erläutert Dr. Jutta Geiger, Landesumweltamt Essen. Es gebe aber bis 2005 eine Übergangsfrist mit einer gewissen Toleranz: „Dieses Jahr wären das 60 Mikrogramm, die 35 Mal überschritten werden können.“

Auch das Forschungszentrum Jülich bestätigt erhöhte Strahlenmessungen – allerdings sei die Ursache nicht klar. Ähnlich argumentiert auch die Firma RWE Rheinbraun als Betreiber des Tagebaus: „Die Feinstäube werden hier auf den Tagebau bezogen – dafür kann es aber unterschiedliche Quellen geben wie Autoverkehr oder auch den Staub aus der Sahara“, behauptet Pressesprecher Manfred Lang.

Nordrhein-Westfalens Umweltministerium dagegen sieht Handlungsbedarf: „Zwischen dem 1. Oktober und 15. November ist der Tagesmittelwert dreimal überschritten worden, danach weitere sechs Mal“, sagt Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn. Dabei habe die Messstation nicht einmal den optimalen Standort in der Hauptwindrichtung des Tagebaus gehabt. Gemeinsam mit Gemeinde und BUND soll nun ein neuer Standort festlegt und ein Jahr lang vermessen werden, so Höhn: „Aus diesen Werten ergibt sich dann auch, ob das Energieministerium Auflagen und Maßnahmen verhängen kann.“