Hier, da und überall

Sich über die Beatles unterhalten: Klaus Voormann, der „deutsche Beatle“, stellte seine Erinnerungen vor

Zum vierten Advent der fünfte Beatle, wie ein Radiosender schon tagelang für die Veranstaltung am Sonntagabend warb, und dann trotzdem keine kreischenden 50-Jährigen im Publikum, die ihre Slips und BHs auf die Bühne schleudern. Stattdessen sitzen im gut besuchten Quasimodo neben mir eine Mutter und ihr Sohn: „Mama, sag doch nicht, dass du Focus liest, ist doch peinlich“, stöhnt der Junge auf, als sie erzählt, dass sie dort auf das Buch „Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John?“ aufmerksam gemacht worden ist.

Der Autor, Klaus Voormann, gilt laut Klappentext als „weltbekannter Unbekannter in der Popmusik“, ein 1938 in Berlin geborener Tausendsassa. Ursprünglich Grafiker, dann Bassist (bei Manfred Mann, der Plastic Ono Band und Lou Reed) und später Produzent von Bands wie Trio und den Bläck Föss. Vor allem aber blieb er immer ein treuer Freund der Fab Four, und deswegen sind Mutter und Sohn auch hauptsächlich hier: „Der Voormann hat ja was zu erzählen“, erklärt mir die Frau, „der kannte die ja von Anfang an aus der Nähe, hat mit denen gelebt und gearbeitet. Und das Cover von ‚Revolver‘ hat er auch gemalt!“

Aber da kommt der „deutsche Beatle“ auch schon auf die Bühne: Gut gealtert, schlohweißes langes Haar, ein kleines Dschingis-Khan-Bärtchen im asketischen Gesicht, die hohen Wangenknochen – Voormann sieht tatsächlich aus wie George Harrison, dem er sein Buch dann auch gewidmet hat. Auf der Bühne haben sich neben ihm Moderator Peter Radzuhn sowie Voormanns Freunde Wolfgang Niedecken, Matthias Naß, Julian Dawson und Wigald Boning eingefunden, um über die guten alten Zeiten zu klönen.

Um Rock ’n’ Roll geht es dabei nur vordergründig – Niedecken gibt gleich zu bedenken, dass die Rocker vor den Beatles ja immer nur üble Prolls gewesen seien, schwarze Lederjacken mit Elvis hinten drauf genietet, „da gab’s dann gleich was aufs Maul“ – nein, alle erwarten eher nette, versöhnliche Anekdoten, Initiationsgeschichten, wie es war, als man die Beatles zum ersten Mal gehört hat. Dazu gehört natürlich auch, selbstverständlich – alte Freunde! – kein schlechtes Wort über die alten Götter zu verlieren (etwa über McCartneys Bestrebungen, sämtliche Songwriter-Credits von „Lennon/McCartney“ zu „McCartney/Lennon“ zu ändern).

Am schönsten ist es natürlich, wenn Voormann mit einer angenehm unaufgeregten, rauen Märchenonkel-Stimme selbst erzählt, wie es damals gewesen ist, 1960 mit den Beatles auf der Reeperbahn: „Mensch, Klaus, du musst die jetzt mal ansprechen, denn ich konnte ja ’n bisschen Englisch.“ Man habe sich dann gleich „lieb gewonnen“, was Voormann so trocken und selbstverständlich sagt, dass es nicht einen Augenblick anbiedernd wirkt. Der Kontakt habe sich in Zeiten der größten Erfolge dann eher noch intensiviert, ist ja logisch, „good old Klausi“ als Fels des Normalen in der Brandung des Hype. Andere Kollegen werden dagegen auch mal kritisch gesehen, Bob Dylan etwa („ein sehr merkwürdiger Mensch“) oder Yoko Ono, die mit ihren Gesangskünsten mal wieder die Zielscheibe für dankbare Lacher abgibt und die Voormann dennoch als furchtlos und inbrünstig um „Peace!“ ringendes Wesen in Schutz nimmt.

Warmherziger Applaus, leuchtende Augen im Publikum, und dann gibt’s auch noch Musik von Voormann and Friends. Niedecken knödelt in kölschem Denglisch „a working-class hero is something to be“, Julian Dawson singt eine ganz wunderbare Version von „Norwegian Wood“, und Wigald Boning, dessen Schlager-Punk-Band „Bremen“ Voormann einst produzierte, brilliert an Saxofon und Querflöte. Im Hintergrund, ganz gelassen am Bass: Klaus. ANDREAS MERKEL