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Amt schiebt weiter ab

Körting spricht von weniger Abschiebungen. Doch die Fälle der Flüchtlingsgruppen weisen auf das Gegenteil hin

Noch am Montag versuchte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu belegen, dass momentan weit weniger abgeschoben werde als in den Monaten zuvor (die taz berichtete). Der Vorwurf, er würde kurz vor Inkrafttreten der neuen Härtefallregelung alles darauf setzen, Flüchtlinge abzuschieben, sei falsch.

Die Flüchtlingsinitiativen konnte er allerdings nicht überzeugen. Vielleicht werde weniger inhaftiert, aber dies habe vor allem mit der EU-Erweiterung zu tun, da Menschen aus den neuen Beitrittsländern nicht mehr inhaftiert werden können, sagte Christine Schmitz von der Initiative gegen Abschiebehaft. „Körting jongliert mit Zahlen, die einen falschen Eindruck erwecken“, so Schmitz. Zweifel an Körtings Dementi sind berechtigt. Viele bereits lange in Deutschland lebende Flüchtlinge, vor allem aus dem früheren Jugoslawien, sind akut von Abschiebung bedroht oder bereits abgeschoben worden.

Etwa Abit Fejzullahi, der vor zwölf Jahren mit seiner Frau Kumrije aus dem Kosovo geflüchtet ist. Seine vier Kinder sind in Berlin zur Welt gekommen. Im Fall einer Aufenthaltserlaubnis könnte er sofort Arbeit aufnehmen. Trotzdem steht die Abschiebung unmittelbar bevor.

Bereits abgeschoben ist die Bosnierin Rabija Radoncic aus dem Kosovo. Seit 1993 lebte die 44-Jährige in Berlin. Sie leidet an Epilepsie und schweren Herzrhythmusstörungen. Ihr Bruder in Berlin erfuhr von der Abschiebung erst, nachdem Bedienstete auf dem Flughafen in Düsseldorf ihn informierten. Wie im Kosovo ihre medizinische Versorgung gewährleistet werden kann, bleibt genauso ungewiss wie das Schicksal der bosnischen Familie, deren Kinder aus dem Unterricht heraus in Abschiebehaft genommen wurden. Diese Fälle belegen doch, dass „die Ausländerbehörde weiter jegliche humanitären Gesichtspunkte vermissen lässt“, kritisierte Schmitz. Sie spricht von „Aufräummentalität“. FELIX LEE

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