Buchtipp

Der Grenzgänger

Bücher über den Nahen Osten sind seit einigen Jahren inflationär. Der Journalist Hans-Joachim Löwer hat einen außergewöhnlichen Weg gewählt, Israel und Palästina zu erfahren: Mit dem Rucksack legte er von Ende Oktober bis Anfang Dezember 2003 per pedes 250 Kilometer im besetzten Westjordanland und im nördlichen Israel zurück. Übernachtet hat der ehemalige Auslandskorrespondent des Sterns meist in Privathäusern, selten in Hotels, manchmal gar unter freiem Himmel. Entstanden ist ein Reisebericht von 23 Kapiteln. Seine Reportagen spiegeln die politische, historische und emotionale Verworrenheit des Gebietes wider.

Löwer fährt mit christlichen Pilgern aus Costa Rica auf den See Genezareth und trifft in Dschenin auf die Familie einer Selbstmordattentäterin. Er spricht mit radikalen jüdischen Siedlern in Jitzhar, befragt den Jerusalemer Mufti Scheich Ikremah Sabri und trinkt Tee bei einem Sufi. Sie alle erzählen dem Autor aus ihrem Leben.

Löwer sieht sich als Berichterstatter und überschreitet Grenzen, ohne sich von einer Seite vereinnahmen zu lassen. Er bleibt stets unparteiisch, beobachtet und beschreibt – das Urteil überlässt er dem Leser. Die verschiedenen Standpunkte in seinem Buch zeigen vor allem eins: Der Weg zum Frieden ist noch lang.

Allerdings bringt dieses Buch profunden Kennern des Israel-Palästina-Konfliktes keine neue Kenntnis. Die Reiseberichte bieten, wenn auch oberflächlich, einen Einblick in die aktuelle Situation des Nahen Ostens. Löwers Sprache ist leicht verständlich – schwerer zu verdauen ist indes der Inhalt. Die geschichtliche Chronik am Ende des Buches bildet eine notwendige Ergänzung der Reportagen.

Löwer beschreibt die Region aus dem Blickwinkel des neugierigen Reisenden – der Experte auf diesem Gebiet ist er nicht. Sonst wäre ihm wohl nicht der kleine, aber angesichts der aktuellen Diskussionen fatale Fehler unterlaufen, eine jüdische Islamwissenschaftlerin als Islamistin zu bezeichnen. „Es gibt hier keinen Stein, in dem nicht mindestens zwei bis drei Geschichten stecken“, erzählt ihm diese Frau und benennt so eines der Problemfelder, warum der Frieden in Israel/Palästina auf sich warten lässt. SAMIRA ZINGARO

Hans-Joachim Löwer: „Heilige Erde, unheiliges Land. Eine Grenzwanderung durch Israel und Palästina“. Erschienen bei Frederking & Thaler, 2004, 219 Seiten. Mit Farb- und Schwarzweißfotos, 22,– Euro