Fehlende Schraube blockiert AKW

Das älteste spanische Atomkraftwerk Zorita kann nach einem Störfall nicht wieder angeschaltet werden. Ein generelles Ende der Betriebsgenehmigung ist für die spanische Regierung aber nicht denkbar. Sie verweist auf die zwei Jahre Restlaufzeit

AUS MADRID REINER WANDLER

Es wird einfach nichts. Seit Wochen steht das älteste Atomkraftwerk Spaniens in Zorita still. Jetzt ist die Revision beendet, die Brennelemente sind erneuert – und dennoch kann der Reaktor nicht angefahren werden. Grund ist eine fehlende Schraube. Zwei Tage hatten Mitarbeiter nach dem 2,5 Zentimeter großen Stück gesucht – ergebnislos. Damit scheint sicher, dass sie in den Reaktorkern gestürzt ist. Dort gefährdet sie die kontrollierte Kernspaltung. Denn keiner weiß, ob sie auf den Grund sinkt oder hin und her geschleudert wird.

Für die Umweltschützer und für die Regionalregierung von Castilla-La Mancha, wo der 35 Jahre alte Reaktor steht, ist dies nur eine Anekdote mehr. Seit Jahren verlangen sie die sofortige Stillegung „der alten Kaffeemaschine“. Das Ministerium in Madrid will dem zuständigen Energiekonzern Unión Fenosa aber auf keinen Fall die Betriebsgenehmigung entziehen. Zorita soll die beschlossene Höchstlebenszeit von 38 Jahren erfüllen. Das völlig veraltete AKW soll um jeden Preis bis zum 30. April 2006 durchhalten.

Zorita ist damit einmal mehr in den Schlagzeilen. Erst vor wenigen Tagen entdeckte der spanische Nukleare Sicherheitsrat (CSN), dass Zorita seit seiner Inbetriebnahme 1968 mit einem viel zu klein ausgelegten Notkühlsystem lief. Im Falle einer bevorstehenden Kernschmelze hätte der Kühlkreislauf nur 90 Prozent des benötigten Wassers zur Verfügung gestellt.

Die Geschichte von Zorita ist eine Geschichte von Störfällen. Die ersten fünf Jahre verstrahlte das AKW die Umwelt. Sowohl aus den Kaminen als auch aus den Abwasserrohren entwich weit mehr Radioaktivität als erlaubt. 1994 musste der Reaktor monatelang vom Netz, nachdem in der Hülle 171 Risse festgestellt wurden. 1995 kam es zu einem Brand, Radioaktivität trat aus. 2001 stellte sich heraus, dass vier Sicherheitsventile nicht korrekt geschlossen waren, ein Jahr später schlug der Reaktorkern beim Bestücken gegen die Reaktorhülle. Bei einer Studie wies die benachbarte Bevölkerung eine viermal höhere Krebsquote auf als der spanische Schnitt.

„Im AKW Zorita wird immer weiter gepfuscht, um zu vertuschen, was keine Lösung hat“, erklärt Carlos Bravo, Anti-AKW-Sprecher der spanischen Sektion von Greenpeace. „Sie haben die Zitrone zu stark gequetscht. Was jetzt noch kommt, ist kein Saft, sondern die Schale. Und das beste, was man damit machen kann, ist, sie wegzuschmeißen“, schließt sich der Ministerpräsident von Castilla-La Mancha, José Bono, der Forderung nach Stillegung von Zorita an.