Neue Hoffnung für Kerkorian

Gericht akzeptiert die verdaddelten Notizen von Ex-Chrysler-Finanzchef Valade als zusätzliches Beweismaterial. Der Prozess gegen DaimlerChrysler kann weiter gehen

NEW YORK taz ■ Im Schadenersatzprozess des US-Großinvestors Kirk Kerkorian gegen DaimlerChrysler ist alles wieder offen. Vorgestern hat ein Magistrat nach einer Anhörung Dokumente als Beweismaterial zugelassen, die die Anwälte des DaimlerChrysler-Konzerns in der vergangenen Woche in letzter Minute eingereicht hatten – Richter Joseph Farnan hatte die Verhandlung damals abgebrochen.

Nun soll der Gerichtsprozess im Januar fortgesetzt werden. Dabei werden die umstrittenen Dokumente mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielen. Es handelt sich hauptsächlich um handschriftliche Aufzeichnungen des ehemaligen Chrysler-Finanzvorstands Gary Valade, der einer der führenden Chefunterhändler beim Zusammenschluss von Daimler und Chrysler war. In den letzten Tagen sind in den Daimler-Unterlagen fünf weitere Seiten aufgetaucht, die inzwischen ebenfalls an Gericht und Gegenseite übergeben wurden.

Valade, der demnächst als vorletzter Amerikaner aus dem Vorstand von DaimlerChrysler ausscheidet, hatte eifrig mitgeschrieben, als über die Fusion von Daimler und Chrysler im Winter und Frühling des Jahres 1998 gesprochen wurde. Bei der Anhörung sagte der Manager, der jetzt bei DaimlerChrysler für den Einkauf zuständig ist, er habe keine Ahnung, warum die Dokumente nicht schon viel früher übergeben wurden. Eine Aussage über den Inhalt der Dokument hatte der Magistrat ihm allerdings nicht erlaubt.

Ob Daimler wegen der späten Abgabe des Materials mit einer Strafe rechnen muss, soll bis zur Fortsetzung des Prozesses entschieden werden. Die Anwälte hatten von einem „unbeabsichtigten Flüchtigkeitsfehler“ gesprochen.

Einem Antrag der Firma, die Dokumente öffentlich zu machen, stimmte der Magistrat allerdings zu. Die Deutschen wollen nicht, dass die Position der Amerikaner durch Aussagen des Textes gestärkt wird. Die Anwälte des Milliardärs aus Las Vegas sind natürlich ganz anderer Meinung. Die späte Herausgabe der Dokumente bestätige nur ihre Vermutung, dass die Deutschen nicht glaubwürdig seien. Das gehe auch aus dem Inhalt der Dokumente hervor. So habe DaimlerChrysler Chef Jürgen Schrempp im Zeugenstand ausgesagt, dass es keinen Unterschied mache, ob DaimlerChrysler eine amerikanische oder eine deutsche Firma sei. In seinen Notizen habe Valade aber darauf hingewiesen, dass man größere politische Probleme für das Unternehmen erwartet habe, wenn es nicht als deutsche, sondern als US-amerikanische Firma fortgeführt würde.

In dem Fall geht es um den Vorwurf des 86-jährigen Kerkorian, der Zusammenschluss beider Firmen sei keine Fusion unter Gleichen gewesen, wie die Firma immer behauptet habe, sondern eine heimlich geplante Übernahme. Auf diese Weise hätten sich die Stuttgarter den amerikanischen Autokonzern unter den Nagel gerissen, ohne eine Übernahmeprämie bezahlen zu müssen. Kerkorian, der Chryslers Hauptaktionär war, verlangt mindestens 1 Milliarde Dollar Schadensersatz.

HEIKE WIPPERFÜRTH