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: Die winterliche Fußballdepression fällt diesmal komplett aus

Spannung in der Liga, Präsenz im Europacup, unbezwingbare Plüschlöwen im DFB-Gewand: dem deutschen Kickerwesen lacht plötzlich das Glück

Zu den großen Kuriositäten des Fußballs zählt auch in dieser Saison, dass der Schiedsrichter Herbert Fandel Woche für Woche Spiele pfeifen darf. Längst ist er europaweit für seine skurrilen Entscheidungen gefürchtet. Dass solche Skurrilität auch ihre Schattenseiten hat, zeigte sich am Samstag, als er zusah, wie die Bayern Stuttgarts Besten, Aliaksandr Hleb, systematisch vom Spielfeld traten. Als Fandel bei der absolut rotwürdigen Hargreaves-Grätsche gegen Hlebs Knöchel in der ersten Halbzeit nicht einmal Gelb zeigte, war die Jagd eröffnet. Und als der Stuttgarter nach der letzten gesundheitswidrigen Attacke von Hargreaves 20 Minuten vor Schluss tatsächlich raus musste, der Übeltäter aber erneut ungeschoren blieb, erinnerte das stark an den Fußball vor etwa 20 Jahren, als technisch gute Fußballer noch Freiwild für rüde Abwehrrüpel à la Gentile, Goikoetxea oder Karlheinz Förster waren.

Insgesamt lässt sich aber konstatieren, dass in dieser Saison auch Schieds- und Linienrichter bisher einen etwas besseren Eindruck hinterließen als im letzten Jahr, wo jedes Wochenende katastrophale Fehler brachte. Überhaupt geht es dem deutschen Fußball ja neuerdings glänzend. Mundwerk, so die aktuelle Devise, schießt Tore, und die Nationalmannschaft ist per Bundestrainer-Dekret so gut wie unschlagbar. Vor allem aber ist sie stets gut gelaunt, auch wenn das die fröhlichen Klinsekicker im Alltag gelegentlich vergessen und die Älteren hin und wieder einem „jungen Spieler“ (Ballack, 28, über Kuranyi, 22) an die Gurgel bzw. die Nase gehen.

Sogar die übliche vorweihnachtliche Depression mit dem flächendeckenden Abschied aus dem Europacup fällt diesmal aus. Die Hymnen auf den „DEUTSCHEN FUSSBALL“ überschlugen sich schier, nachdem alle drei Vertreter in der Champions League das Achtelfinale erreicht hatten und auch der Uefa-Cup diesmal deutlich weniger trist verlief, wenn auch nicht für Bochum. Alles übrigens ein Verdienst der Taktik, die jetzt sogar in Deutschland entdeckt wurde, wo man sich nun gleich für ihren Erfinder hält.

Fakt ist: Die Kleinen mucken auf. Bolton, Charlton, Aston Villa in England, Cagliari, Palermo, Messina in Italien, Osasuna, Espanyol Barcelona, Levante in Spanien, Mainz, Wolfsburg, Hannover, Bielefeld in Deutschland – Teams, die erstaunlich lange erstaunlich weit oben standen. Für die meisten hat inzwischen jedoch die Tabellenrutschfahrt begonnen. Defensivbetonter, auf Rennen und Kämpfen gegründeter Fußball funktioniert vor allem, solange Kraft und Euphorie vorhalten und sich die etablierten Teams überraschen lassen. Kommt der moralische Knacks, wird es hart. Denn wie sagt Rostocks Trainer Jörg Berger so schön: „Realistisch ist, dass noch 17 Spiele sind. MATTI LIESKE