Ist die Kuh besonders froh, wird der Bauer arm

Der Preis, den Bio-Bauern für ihre Milch bekommen, ist in den vergangenen Jahren immer stärker gefallen. Im September haben die Biobauern daher erstmals gestreikt. Nun soll der Kampf für glückliche Kühe und heile Umwelt weiter gehen. Auch der Stuhrer Bauer Hartwig Meyer ist dabei

Bremen taz ■ Wenn man drei Bauern unter einen Hut kriegen will, muss man zwei mit der Schippe totschlagen – eine Bauernweisheit. Im vergangenen September zeigten die deutschen Biomilch-Bauern, dass auch diese Regel eine Ausnahme kennt: Sie organisierten sich und streikten. 560 Betriebe in ganz Deutschland lieferten für zwei Tage keine Milch an die Molkereien aus, etwa 70 davon in Niedersachsen. Der Grund für den Warnstreik: Der Preis für Biomilch ist in den vergangenen Jahren so stark gefallen, dass die Bauern sagen: Dafür lohnt es fast nicht mehr, die Melkmaschine anzuwerfen.

In immer mehr Supermärkten stehen seit BSE-Skandal und Agrar-Wende auch Biomilch und Bio-Jogurt im Kühlregal – etwa 2,5 Prozent beträgt der Anteil der Biomilch am gesamten Milchmarkt. Die Discounter bieten die Bioprodukte wesentlich günstiger an als Reformhäuser und Naturkostläden. Die Folge von Billig-Bio: Zwar stieg der Absatz von Biomilch in diesem Jahr ein wenig an, aber auch der Preisdruck auf die Bauern nahm stark zu: Zahlten die großen Molkereien den Bauern im Jahr 2001 noch über 37 Cent pro Liter Bio-Milch, waren es im September 2003 nur noch 31 Cent – 29 Cent bekommen Bauern im Schnitt für konventionell hergestellte Milch.

„Unkonventionell“ arbeitet Hartwig Meyer, der sich an dem Streik beteiligte. Auf seinem Hof in der Nähe von Stuhr sind die Kühe glücklich: Reif liegt auf den weiten Wiesen, am Horizont ragen Baumgerippe in den eis-blauen Himmel. Die Schwarzgefleckten stehen kauend-verdauend draußen und dampfen vor sich hin. Jede Bio-Kuh darf sommers wie winters die Sonne sehen, so die Regel der Bio-Verbände. Solche Vorgaben machen die Kühe froh, den Bauern aber nicht reich. Die Herstellung von Biomilch ist wesentlich teurer als im konventionellen Landbau. Meyers Holsteiner fressen kein gentechnisch verändertes Soja und kein Tiermehl, stattdessen Futter aus dem eigenen Betrieb – dessen Herstellung wiederum mehr Geld verschlingt als der Einkauf von konventionellem Futter. Der Bauer versprüht weder Pestizide noch Stickstoffdünger auf den Weiden, so ist auch noch der Futterertrag niedriger als bei den konventionellen Kollegen. Und schließlich trinken die Kälber drei Monate lang die Muttermilch – statt wie auf „normalen“ Höfen mit billigem Milchpulver abgespeist zu werden. Die Bilanz: Biokühe geben im Schnitt 15 bis 20 Prozent weniger Milch als die konventionellen Hochleistungs-Kühe. 40 Cent müsste Bauer Meyer pro Liter Milch bekommen, um Gewinn zu erwirtschaften, hat er errechnet.

Heile Weiden, sauberes Grundwasser, gesunde Tiere – die meisten Verbraucher wollen den Mehr-Aufwand der Biobauern aber nicht mit höheren Preisen honorieren. „Es ist schwierig, gegen die verbreitete ‚Geiz ist geil‘-Haltung der Konsumenten anzuarbeiten“, sagt Bauer Meyer – gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Man müsse das Image von Bio-Produkten stärken, meint er. Klar machen: Das sind Premium-Produkte, die müssen ein wenig mehr kosten. Deutlich sagen: Konventionelle Landwirtschaft ist für den Verbraucher nicht billiger – er zahlt die Kosten nur an anderer Stelle: mit verseuchten Böden, sich drastisch verschlechternder Grundwasserqualität und allergiekranken Kindern.

Der Warnstreik war ein Versuch, auf die Qualität von Biomilch und den Preisverfall aufmerksam zu machen. Bauer Meyer würde wieder streiken. Nach dem Streik hatten die Bauern das Gefühl, als Verhandlungspartner von den Molkereien ernster genommen zu werden, sagt Meyer. Auf 32,5 Cent hat sich der Bio-Milchpreis nach dem Streik eingependelt, so Harald Gabriel von der niedersächsischen Landesvereinigung Ökologischer Landbau (LÖN). Die Macht, die durch den Zusammenschluss entsteht, wollen die Bauern weiter ausbauen. Eine „Aktionsgemeinschaft Biomilch“ mit Landwirten aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein soll künftig bei den Preisverhandlungen mehr Druck ausüben. Aber warum nicht zusammen mit den konventionellen Bauern? Denn auch die leiden unter dem niedrigen Milchpreis und dem Preisdiktat von den wenigen Monopol-Molkereien, die der Milchwettbewerb noch übrig gelassen hat. „Da ist viel Angst bei den konventionellen Bauern“, sagt Meyer. „Die können sich nicht vorstellen, ihre eigene Molkerei zu sabotieren.“ In vielen Fällen gehören den Bauern Anteile an den genossenschaftlich organisierten Molkereien. Der Deutsche Bauernverband hatte den Milchstreik der Biobauern nur sehr zögerlich unterstützt. „Auf persönlicher Ebene gibt es viel Verständnis und Zusammenarbeit – auf politischer Seite viele Gräben“, so Gabriel von LÖN. Da stimmt sie dann wieder, die Bauernweisheit von den drei Bauern und der Schippe. Dorothea Siegle