klimagipfel
: Europäer ohne Selbstvertrauen

So benimmt sich kein Sieger. Mit größtem diplomatischem Geschick gelang es der EU, Russland in den Klimaprozess einzubinden und so das Kioto-Protokoll vor dem Scheitern zu retten. Das ist keinen Monat her, und schon fangen einige EU-Länder an, hinter den Kulissen des Klimagipfels in Buenos Aires das Erreichte in Frage zu stellen. Länder wie Holland, Italien und Finnland, offenbar auch einige Osteuropäer, sind bereit, für die Zeit ab 2012 das Kioto-Protokoll zu ignorieren und mit den Amerikanern völlig neu zu verhandeln.

KOMMENTAR VON MATTHIAS URBACH

Es ist sicher wichtig, die USA nicht aufzugeben. Für einen effektiven Klimaschutz muss der größte Treibhaussünder dabei sein. Auch ist es wichtig, die USA in den kommenden Jahren als traditionell umweltpolitisch aufgeschlossene Kraft zurückzugewinnen. Mit Russland ist auf Dauer wenig anzufangen. Trotzdem darf man keine leichtfertigen Angebote machen, ohne den USA etwas abzuverlangen. Vielleicht wird es wirklich einmal nötig sein, den Kioto-Prozess hinter sich zu lassen – aber nur für ein anderes belastbares Klimaschutzinstrument. Derzeit bieten die USA nichts an.

Die EU muss die USA weiter durch ihr Vorbild unter Druck setzen. Das ist sie schon Kalifornien und den neuenglischen Ostküstenstaaten der USA schuldig, die sich sehr wohl für den Klimaschutz engagieren und Instrumente wie den Emissionshandel erwägen. Vielleicht könnte aus einem gemeinsamen Emissionshandel der europäischen Industrie mit einigen US-Bundesstaaten der Keim für ein weltweites System entstehen.

Doch offenbar sehen einige europäische Staaten den Klimaschutz nur als eine weitere Belastung der transatlantischen Beziehungen – neben Großkonflikten wie den Irakkrieg oder der Liberalisierung der Agrarmärkte in der Welthandelsorganisation. Und wollen endlich etwas Druck herausnehmen.

Auch beim Start des Emissionshandels haben es die meisten EU-Länder ihren Industrien reichlich einfach gemacht. Es ist zu befürchten, dass der Handel mit Verschmutzungsrechten gar nicht erst zustande kommt, weil alle – einschließlich Deutschland – ihre Fabriken mehr als großzügig ausgestattet haben.

Für Tony Blair ist der Klimawandel von solch „destruktiver Kraft, dass er die menschliche Existenz radikal verändern wird“. Es sieht so aus, als hätte sich diese Einsicht selbst in den Köpfen europäischer Minister noch nicht ganz durchgesetzt.

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