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Weihnachtsgeschenk Abschiebung

Vertreter von Flüchtlingsorganisationen beklagen einen Anstieg der Abschiebung von Flüchtlingen, bevor im Januar das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt. Innenministerium bestreitet Vorwürfe

VON ULLA JASPER

Wenige Wochen vor dem Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes schieben die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen vermehrt Flüchtlinge ab, kritisiert der Flüchtlingsrat NRW.

„Man kann den Eindruck bekommen, dass die Behörden, kurz bevor das neue Zuwanderungsgesetz kommt, schnell noch möglichst viele Fälle abschieben wollen, die im nächsten Jahr eine größere Chance hätten zu bleiben“, so Andrea Genten, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats. Das neue Gesetz, das im Januar in Kraft tritt, erweitert die Kompetenzen der so genannten Härtefallkommission. Davon profitieren könnten Flüchtlinge, die bestimmte Integrationskriterien wie Sprachkenntnisse oder Schulbesuch der Kinder erfüllen oder für die eine Abschiebung eine besonders schwerwiegende humanitäre Härte darstellen würde. Dennoch haben die Empfehlungen der Kommission weiterhin keinerlei bindenden Charakter, die letztliche Entscheidung über die Abschiebung verbleibt bei der zuständigen Ausländerbehörde.

„Mit dem neuen Gesetz entsteht für einige hier geduldete Personen eine neue, schmale Hoffnung, dass sie langfristig bleiben könnten“, sagt Genten. Anstatt nun abzuwarten, wie sich die bleiberechtliche Situation für diese „Grenzfälle“ im kommenden Jahr entwickeln werde, würden diese Personen nun noch schnell abgeschoben. „In Rheinland-Pfalz werden diese Fälle, die durch das neue Gesetz vermutlich bleiben könnten, einfach unter den Stapel geschoben und in diesen Wochen nicht mehr bearbeitet“, erklärt die Flüchtlingsberaterin. Zwar sei es illusorisch anzunehmen, dass von den 66.000 Geduldeten in NRW viele von den neuen Rechten der Härtefallkommission profitieren würden. „Auch die neue Kommission wird ein Nadelöhr bleiben“, so Genten. Umso unverständlicher sei es jedoch, dass jetzt noch vermehrt abgeschoben werden müsse.

Die zuständigen nordrhein-westfälischen Behörden weisen die Vorwürfe der Flüchtlingsorganisation zurück. „Eine Zunahme der Abschiebungen am Ende des Jahres kann ich nicht bestätigen“, erklärt die Sprecherin des Innenministeriums, Dagmar Pelzer. Zudem handele es sich bei den meisten jetzt durchgeführten Abschiebungen um Fälle, die „gerichtlich zu Ende entschieden sind“, so dass die Ausländerbehörden keine andere Möglichkeit mehr hätten, als abzuschieben, so Pelzer. Darüber hinaus koste eine Abschiebung sehr viel Geld, „die Ausländerbehörden werden es sich also schon unter diesem Gesichtspunkt überlegen, ob noch abgeschoben werden soll“, erklärt Pelzer.

Doch auch die Caritas bestätigt, dass die Abschiebungen in diesen Wochen zunehmen: „In Essen ist die Zahl erhöht“, erklärt der Migrationsbeauftragte des Wohlfahrtsverbands im Bistum Essen, Rudi Löffelsend. Dass die Ausländerbehörden in den letzten Wochen des Jahres nochmal verstärkt abschieben wollen, hält er durchaus für plausibel. Denn wem es nun gelinge sich ins nächste Jahr „hinüberzuretten“, habe größere Chancen auf ein langfristiges Bleiberecht.

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